Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid bei rechtzeitigem Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGG kann die mündliche Verhandlung gegen einen Gerichtsbescheid beantragt werden, wenn die Berufung nicht gegeben ist. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides zu stellen.

2. Eine Statthaftigkeit der Berufung kann aus einer unzutreffenden, von einer Zulässigkeit der Berufung ausgehenden Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts abgeleitet werden.

3. Die Berufung ist nach § 143 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1, 2 SGG unstatthaft, wenn der Beschwerdewert 750.- €. nicht übersteigt.

4. Nach § 105 Abs. 3 S. 2 SGG gilt der Gerichtsbescheid mit dem zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen. Damit entfällt die Berufungsfähigkeit des Gerichtsbescheides (BSG Beschluss vom 12. 7. 2012, B 14 AS 31/12).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.09.2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Zahlungserinnerung der Beklagten bezüglich einer Erstattungsforderung des Jobcenters E i.H.v. 189,83 EUR.

Mit Schreiben vom 30.11.2018 erinnerte die Beklagte die am 00.00.2012 geborene Klägerin durch den Inkasso-Service der Agentur für Arbeit Recklinghausen an die Begleichung einer Forderung des Jobcenters E i.H.v. 189,83 EUR. Sie setzte eine Zahlungsfrist bis zum 14.12.2018. Die Forderung sei am 14.05.2013 fällig geworden und beruhe auf dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters E vom 26.04.2013 für den Zeitraum 01.02.2013 bis 31.03.2013.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17.12.2018 Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, auf Grund ihres jungen Alters Jahren könne eine Forderung gegen sie nicht bestehen. Das Vorgehen der Beklagten, die ihre Zuständigkeit nicht nachgewiesen habe, sei rechtswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2019 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Bei der Zahlungserinnerung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, gegen den ein Widerspruch zulässig sei, da die Erinnerung die Rechte der Klägerin nicht begründe, ändere, entziehe oder feststelle.

Die Klägerin hat am 20.05.2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und im Wesentlichen ergänzend ausgeführt, sie habe nicht im Leistungsbezug beim Jobcenter E gestanden. Der Bescheid vom "24.06.2013" sei ihr nicht bekanntgegeben worden. Eine Anhörung sei nicht erfolgt. Auch habe Untätigkeit vorgelegen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

das Schreiben der Beklagten vom 30.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2019 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Klage sei gegen das Jobcenter E zu richten, soweit die Klägerin sich gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26.04.2013 wende.

Im Rahmen der Anhörung des SG zum Erlass eines Gerichtsbescheides nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Klägerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne.

Die Klägerin hat am 13.09.2019 Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Gerichtsbescheid sei nichtig. Das SG habe in unzulässiger Weise ohne Anhörung der Beteiligten entschieden. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG seien nicht erfüllt. Der Tatbestand des Gerichtsbescheides sei mangelhaft und die Entscheidungsgründe fehlten. Das SG habe auch gestellte Anträge ignoriert, den Aspekt der Untätigkeit nicht behandelt, die Sach- und Rechtslage nicht aufgeklärt und Amtspflichtverletzungen begangen. Hinsichtlich der geltend gemachten Forderung sei Verjährung eingetreten.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG Düsseldorf vom 03.09.2019 sowie das Schreiben der Beklagten vom 30.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den als zutreffend angesehenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat die Klägerin mit Verfügung vom 20.07.2020 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteige. Am 05.08.2020 hat die Klägerin sodann beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 6 AS 1425/20 NZB) und am 07.08.2020 nochma...

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