Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung der Zulassung für eine vertragsärztliche Tätigkeit durch den Zulassungsausschuss durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt u. a. die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes voraus. Hierbei ist darauf abzustellen, welche Intensität der zu Gunsten des Antragstellers abzuwehrende Eingriff in geschützte Rechtsgüter hat. Maßgebend für die Eingriffsintensität sind die wirtschaftlichen Folgen in Bezug auf das geschützte Rechtsgut bzw. wesentliche Rechtsverletzungen.

2. Allerdings sind nicht allein wirtschaftliche Beeinträchtigungen geeignet, den Anordnungsgrund auszufüllen. Anknüpfungspunkt ist in erster Linie eine Vereitelung von Rechten. Notwendig, aber auch ausreichend, ist daher, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Hierzu zählt ein Verstoß gegen das Willkürverbot.

3. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf gravierenden Rechtsverstößen beruht und den Antragsteller schwer beeinträchtigt.

4. Für das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB 5 ist anerkannt, dass ein Nachbesetzungsrecht eines bisher als Vertragsarzt zugelassenen Praxisinhabers in überversorgten Planungsbereichen nur ausgeübt werden kann, wenn der ausscheidende Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift noch vertragsärztlich und nicht ausschließlich privatärztlich tätig gewesen ist.

5. Ein automatisches Ende der Zulassung gibt es nur bei Tod bzw. Auflösung, Verzicht oder Wegzug aus dem Bereich des Vertragsarztsitzes. In allen anderen Fällen ist die Durchführung eines Zulassungsentziehungsverfahrens erforderlich. Das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB 5 setzt ein formelles Ausschreibungsverfahren, das Ende der Zulassung, die beabsichtigte Praxisfortführung durch einen Nachfolger und einen nachbesetzungsfähigen Vertragsarztsitz in Kombination mit einer hierauf gerichteten Zulassung voraus.

6. Privatrechtliche Vereinbarungen können diese Vorgaben des Vertragsarztrechts nicht verändern.

7. Die Zulassung unterfällt mangels Äquivalent eigener Leistung nicht dem Eigentum des Art. 14 GG. Demzufolge läge ein Grundrechtseingriff in Gestalt einer Enteignung nur dann vor, wenn der Gesetzgeber einem Vertragsarzt die Verwertung seiner Arztpraxis verwehren würde, ohne dass dieser die Möglichkeit hätte, einen Käufer zu finden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.12.2010 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des erstinstanzlichen und des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit Januar 2005 als Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Schreiben vom 02.06.2009 beantragte die zu 7) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein festzustellen, dass die Zulassung des Antragstellers wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ende. Der Antragsteller habe in den Quartalen l und II/2005 keine Abrechnung eingereicht, obwohl aufgrund des Beschlusses des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 13.12.2004 - L 11 B 30/04 KA ER - eine einstweilige Zulassung bestanden habe. In den Quartalen III/2005 bis IV/2008 habe er lediglich zwischen zwei und 19 Fälle zur Abrechnung gebracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) werde die vertragsärztliche Tätigkeit nur dann ausgeübt, wenn der betreffende Arzt die Gesamtheit seiner Pflichten im Wesentlichen erfülle. Mit einzelnen Maßnahmen der Versorgung von Berechtigten sei nicht nachgewiesen, dass er die vertragsärztliche Tätigkeit ausübe. Der Internetauftritt zeige, dass sich der Antragsteller nur der ästhetischen Chirurgie widme, die kein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei.

Mit Beschluss vom 29.07.2009 gab der Zulassungsausschuss für Ärzte L dem Antrag der Beigeladenen zu 7) auf Feststellung der Beendigung der Zulassung des Antragstellers wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit statt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Beschluss des Antragsgegners vom 26.05.2010), denn der Antragsteller übe keine vertragsärztliche Tätigkeit im nennenswerten Umfang aus, was sich aus seinem über 18 Quartale hin feststellbaren Leistungsverhalten ergebe. Diese Entscheidung hat Antragsteller am 09.07.2010 beim Sozialgericht (SG) Köln mittels Klage angegriffen (S 26 KA 11/10).

Mit Schreiben vom 26.03.2010 beantragte der Antragsteller die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zur Übergabe an einen Nachfolger. Dies lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte L am 25.08.2010 (Beschluss vom 15.09.2010) ab, da keine fortführungsfähige Praxis vorhanden sei. Die vom Antragsteller abgerechneten Fallzahlen (12 Fälle im Quartal I/2010) sprächen gegen eine n...

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