Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Überprüfung eines im Zugunstenverfahren ergangenen Witwenrentenbescheides

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 44 SGB 10 setzt u. a. voraus, dass wegen einer unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach derjenigen materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht.

2. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im Revisionsverfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst. Ist das neue Recht sogar im Revisionsverfahren zu beachten, so gilt dies erst recht in den Tatsacheninstanzen.

3. Ist dem Versicherten durch Bescheid dem Grunde nach eine Witwenrente zwar zuerkannt, jedoch eine Zahlung abgelehnt worden, so kann aus dem eine Zahlung ablehnenden Entscheidungssatz keine Rentenzahlung abgeleitet werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.01.2007 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Witwenrente im Zugunstenverfahren.

Die am 00.00.1937 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Am 17.12.1999 siedelte sie aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland aus. Sie war mit dem am 00.00.1935 geborenen und am 00.00.1983 in Russland verstorbenen W T verheiratet. Sie ist als Spätaussiedlerin anerkannt.

Mit Bescheid vom 25.7.2000 bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen der Klägerin eine Altersrente (AR) für Frauen ab dem 17.12.1999 aus eigener Versicherung nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Die ermittelten Entgeltpunkte (EP) begrenzte die LVA Sachsen auf den Höchstwert von 25. Mit Bescheid vom 31.8.2000 bewilligte die LVA Sachsen der Klägerin eine große Witwenrente und lehnte die Zahlung "ab dem 17.12.1999 (Rentenbeginn)" ab. Ein Zahlbetrag ergebe sich nicht, weil die EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in der Rente aus ihrer eigenen Versicherung zu berücksichtigen seien.

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Verfahren B 4 RA 118/00 R, B 13 RJ 44/03 R und B 8 KN 10/03 R, wonach die Begrenzung auf die 25 EP nur für Fremdrentenzeiten aus dem jeweiligen Versicherungskonto gelte, beantragte die Klägerin am 30.8.2004 die Überprüfung des Bescheids vom 31.8.2000. Mit Bescheid vom 6.9.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ab. Es verbleibe bei den in ihrem ursprünglichen Hinterbliebenenrentenbescheid getroffenen Feststellungen, da diese der rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft getretenen Fassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG entsprächen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.11.2004 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 1.12.2004 zum Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben. Sie hat Bezug genommen auf die vorgenannte Rechtsprechung des BSG. Die Neufassung des § 22b FRG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung - nF - (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) sei nach § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht anzuwenden. Zudem sei § 22b FRG nF nicht anzuwenden, weil diese Bestimmung wegen ihres rückwirkenden Inkrafttretens verfassungswidrig sei. Schließlich stütze sie den geltend gemachten Anspruch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe eine Pflichtverletzung begangen, indem sie die Hinterbliebenenrente nicht ausbezahlt habe, obwohl dies nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu erfolgen gehabt hätte. Das Verhalten der Beklagten, eine Entscheidung nach den bestehenden Gesetzen- unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen ständigen Rechtsprechung des BSG - zu verweigern und statt dessen auf die Verabschiedung der zwischenzeitlich erfolgten Neufassung der hier streitgegenständlichen Norm durch das RVNG zu warten, sei rechtswidrig.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

1. unter Aufhebung des Bescheides vom 6.9.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 8.11.2004 die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 31.8.2000 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, die dem Grunde nach anerkannte Witwenrente in voller Höhe,

hilfsweise auf der Basis von bis zu 15 Entgeltpunkten, zur Auszahlung zu bringen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit Urteil vom 24.1.2007 hat das SG Detmold den Bescheid vom 6.9.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 8.11.2004 geändert und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 31.8.2000 abzuändern und der Klägerin unbegrenzte Hinterbliebenenrent...

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