Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer sog. Ghetto-Beitragszeit ist u. a. die Glaubhaftmachung erforderlich, dass eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene entgeltliche Tätigkeit im Ghetto ausgeübt worden ist.
2. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist. Hierbei genügt die gute Möglichkeit, dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Dabei sind gewiss noch verbleibende Zweifel unschädlich.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.09.05 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Regelaltersrente. Streitig ist dabei insbesondere, ob Arbeitszeiten der Klägerin im Ghetto Budapest (Ungarn) von November 1944 bis Januar 1945 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen sind.
Die am 00.00.1933 in Budapest geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung. Im Jahre 1967 wanderte sie nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit.
Anlässlich ihres im September 1993 bei der Claims Conference eingeleiteten Verfahrens auf Entschädigungsleistungen aus dem Fonds für jüdische Zwangsarbeiter gab die Klägerin in dem Antragsformular vom 23.09.1993 an, sich von Frühling 1944 bis Januar 1945 im Ghetto Budapest aufgehalten zu haben. Zu ihrem Verfolgungsschicksal erklärte sie, sie sei noch zur Schule gegangen, als die deutsche Armee Budapest besetzt habe. Ihren Vater und ihren 20jährigen Bruder habe man gleich nach Kriegsausbruch in ein Zwangsarbeitslager geschickt. Sie sei daraufhin mit ihrer Mutter und ihrem kleineren Bruder allein geblieben. Ihre Mutter, die als Putzfrau habe arbeiten müssen, um Geld zu verdienen, habe sie und ihren Bruder zur Arbeit mitnehmen müssen. Sehr oft hätten sie nichts zu Essen gehabt und gehungert. Kurz nach dem Überfall der Deutschen im Jahre 1944 sei das Ghetto abgesondert und mit Holzwänden abgeriegelt worden. Im Ghetto hätten sie ein Stück Brot von zwanzig Gramm für den ganzen Tag erhalten und sie habe ständig unter Hunger gelitten. Bei ihrer Befreiung am 18.01.1945 sei sie sehr unterernährt und schwach gewesen.
Am 28.10.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). In dem Antragsformular vom 05.05.2003 machte die Klägerin eine Beschäftigung in der Nähwerkstatt im Ghetto Budapest von Mitte Juni 1944 bis zum 18.01.1945 geltend und führte aus, dort fünf bis sechs Stunden täglich gebügelt und Knöpfe genäht zu haben. Als Arbeitsverdienst habe sie "10 Pengö per Woche - min. Taschengeld" erhalten. Dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) habe sie nicht angehört. In dem Fragebogen zum ZRBG vom 31.07.2003 führte sie ergänzend aus, die Schneiderwerkstatt habe sich innerhalb des Ghettos befunden. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Judenrates zustande gekommen. Auf dem Weg von und zur Arbeit sei sie von Polizisten bewacht worden. Für ihre Näharbeiten, die sie täglich fünf bis sechs Stunden verrichtet habe, habe sie zusätzliche Lebensmittel und 10 Pengö wöchentlich erhalten. Zeugen für die geltend gemachten Arbeitszeiten könne sie nicht benennen.
Durch Bescheid vom 14.01.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, dass eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin gegenüber der Claims Conference nicht glaubhaft gemacht sei.
Zur Begründung ihres gegen diesen Bescheid am 20.01.2004 eingelegten Widerspruchs gab die Klägerin in einer persönlichen Erklärung vom 08.03.2004 (Bl. 45 RA) an, sie habe trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes als schwaches Kind mit Verantwortung alles machen müssen, um ihrer Familie zu helfen, da ihr Vater zuckerkrank gewesen sei und kaum habe Arbeit finden können. Sie habe einen kleineren Bruder gehabt, der auch habe essen wollen und so habe sie vom Judenrat eine Beschäftigung als Helferin in einer Nähwerkstatt erhalten, für die sie 10 Pengö per Woche Taschengeld erhalten habe. Dies sei ein Zusatz zu ihren geringen Einkünften gewesen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 16.09.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit ihrer am 27.09.2004 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und durch ihren Prozessbevollmächtigten vorgetragen, für ihre Arbeit im Ghetto Sachbezüge zur beliebigen Verfügung und nicht nur zum sofortigen Verbrauch erhalten zu haben, was z.B. bei Kartoffeln, Zucker, Graupen, Sonnenblumenöl oder Salz auch nicht möglich gewesen sei. Dass sie im Entschädigungsverfahren die nunmehr geltend gemachte Beschäftigung in...