Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Geltendmachung einer weiteren Vergütung des Krankenhausträgers gegenüber der Krankenkasse nach Begleichung der Endabrechnung. Beachtung von Treu und Glauben. zeitlicher Rahmen für zulässige Nachberechnungen. Krankenhausbehandlung. Schlussrechnung. Rechnungskorrektur. Bagatellgrenze. Haushaltsjahr

 

Orientierungssatz

1. Soweit ein Vertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB 5 Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung ausdrücklich zulässt ist daraus nicht zu folgern, dass nach Stellung und Bezahlung einer Schlussrechnung nur von der Krankenkasse beanstandet, nicht aber vom Krankenhaus nachberechnet werden dürfe. Vielmehr ist ein Krankenhaus auch nach Rechnungsstellung grundsätzlich noch zur Nachforderung einer offenen Vergütung berechtigt (vgl BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 11/09 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 19 und vom 22.11.2012 - B 3 KR 1/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 28).

2. Die Nachforderung eines restlichen Vergütungsanspruchs steht unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, der über § 69 SGB 5 gemäß dem Rechtsgedanken des § 242 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner einwirkt (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 6/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 27 und vom 22.11.2012 - B 3 KR 1/12 R = aaO).

3. Der zeitliche Rahmen für zulässige Nachberechnungen für bereits abgerechnete Behandlungsfälle ist nicht anhand des laufenden Haushaltsjahres zu bestimmen. Generell ist das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden vollen Kalenderjahres als äußerster Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festzulegen (vgl BSG vom 22.11.2012 - B 3 KR 1/12 R = aaO).

4. Lässt sich ein Krankenhaus länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte Schlussrechnung im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, ist es in der Regel nach Treu und Glauben mit seiner Nachforderungen ausgeschlossen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 6/12 R = aaO).

 

Normenkette

BGB § 242; SGB V §§ 69, 109 Abs. 4 S. 3, § 112 Abs. 2 Nr. 1; KHEntgG § 7; KHG § 17b

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.09.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin nach Ablauf eines Haushaltsjahres noch berechtigt war, eine der Höhe nach nicht streitige Nachforderung für eine stationäre Behandlung zu erheben.

Die Klägerin ist die Trägerin des St. K-Hospitals H. Dort wurde der Versicherte X der Beklagten vom 10.11.2010 bis 19.11.2010 stationär behandelt. Für diese Behandlung wurden der Beklagten mit Schlussrechnung vom 19.11.2010 2168,85 EUR berechnet, die von der Beklagten bezahlt wurden. Unter dem 31.8.2011 stellte die Klägerin der Beklagten für dieselbe Behandlung des Versicherten 2988,18 EUR in Rechnung und schrieb ihr den auf die Rechnung vom 19.11.2010 geleisteten Betrag gut. Die Nachberechnung beruhte auf der Ersetzung der DRG F67B (Hypertonie mit schweren CC; 1.951,23 EUR) durch die DRG F67A (Hypertonie mit äußerst schweren CC; 2.729,22 EUR). Die Beklagte lehnte vorprozessual die Zahlung weiterer 819,33 EUR ab. Sie bestritt nicht die Richtigkeit der Nachberechnung meinte aber, nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.09.2009 sowie vom 17.12.2009 sei eine Korrektur der Schlussrechnung nur innerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkassen möglich.

Am 30.05.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Nachforderung sei nach Treu und Glauben zulässig. Der geforderte Betrag liege oberhalb der Bagatellgrenze und die Nachforderung sei auch zeitnah erfolgt. In dem Urteil vom 08.09.2009 habe das BSG lediglich ausgeführt, dass eine Rechnungskorrektur nach mehr als 2 Jahren nach Erteilung der Schlussrechnung auch unter Berücksichtigung des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkassen nicht gerechtfertigt sei. Der Rechtsprechung des BSG könne nicht entnommen werden, dass das Kriterium für eine Rechnungslegung das abgelaufene Haushaltsjahr sein solle. Im Urteil vom 07.12.2009 habe das BSG das Haushaltsjahr als Kriterium nicht mehr herangezogen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass eine Nachforderung nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich lediglich nur innerhalb des Haushaltsjahres möglich und deshalb hier ausgeschlossen sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.09.2012 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 819,33 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.9.2011 zu zahlen. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt: Die Klägerin sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (Urteil v. 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 20) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben mit ihrer der Höhe nach zwischen Beteiligten unstreitigen Nachforderung vom 31.08.2011 nicht ausgeschlossen. Die Höhe der Nachforderungen liege o...

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