Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsübergang. Abtretung. konkurrierender Erstattungsanspruch. Interessenausgleich. Vorrangigkeit des gesetzlichen Erstattungssystems. Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs 2 TVöD- wohlverstandenes Interesse. Prioritätsprinzip
Orientierungssatz
1. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Abtretung nach § 53 Abs 2 SGB 1 erfüllt sind, bedarf eines Verwaltungsaktes.
2. Bei einer Übertragung nach § 53 Abs 3 SGB 1 ist ein Verwaltungsakt nicht erforderlich, da bei einer solchen Abtretung keine Entscheidung gegenüber dem Zessionar getroffen wird (vgl BSG vom 27.11.1991 - 4 RA 80/90 = BSGE 70, 37 = SozR 3-1200 § 53 Nr 2).
3. Sofern Anspruchsübergang nach § 53 SGB 1 und Entstehung des Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff SGB 10 gleichzeitig erfolgen, kann nicht auf das Prioritätsprinzip abgestellt werden.
4. Die Rechtsprechung des BSG zur Konkurrenz von Abtretungen/Pfändungen zum Erstattungsanspruch nach § 104 SGB 10 (vgl BSG vom 22.6.1988 - 1 S 4/87 und vom 25.4.1990 - 5 RJ 12/89 = BSGE 67,6 = SozR 3-1200 § 48 Nr 1), die Einführung von § 122a BSHG (bzw § 113 SGB 12) und auch § 53 Abs 5 SGB 1 sprechen für einen Vorrang des gesetzlichen Erstattungssystems bei zeitgleichem Entstehen des Erstattungsanspruchs und Übergang des Anspruchs nach § 53 SGB 1.
5. Ein durch Abtretung übergegangener Rentenanspruch, der von vorneherein mit der Einwendung (§ 404 BGB) der Erfüllung (§ 362 BGB) behaftet ist, geht kraft gesetzlicher Fiktion mit dem gleichzeitigen Entstehen des Erstattungsanspruchs (nach einer "juristischen Sekunde" des Bestehens) sofort unter.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.11.2010 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 3.743,97 festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist ein Zahlungsanspruch auf Rente aus abgetretenem Recht.
Der 1950 geborene und 2011 verstorbene O (Im Folgenden: Versicherter) war bei der Klägerin (zuletzt als stellvertretender Filialleiter) beschäftigt. Für das Beschäftigungsverhältnis galt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Der Versicherte war bei der Beklagten gegen die Versicherungsfälle der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) gegen Krankheit versichert.
Am 28.11.2005 erkrankte der Versicherte arbeitsunfähig. Die DAK gewährte ihm ab dem 9.1.2006 - nach Auslaufen der Lohnfortzahlung - Krankengeld. Die Klägerin gewährte ihm gleichzeitig als Tarifleistung einen Zuschuss zum Krankengeld bis einschließlich zum 27.8.2006; außerdem gewährte sie ihm im Juli 2006 eine tarifliche Einmalleistung und im November 2006 eine Sparkassensonderzahlung für das Jahr 2006. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten nachträglich Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend ab dem 1.6.2006 in Höhe von monatlich (zunächst) 1.250,68 EUR. Für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.4.2007 errechnete sie Nachzahlungen und entschied, dass diese wegen Ansprüchen anderer Träger vorläufig nicht ausgezahlt werden (Bescheide vom 16.3. und 3.4.2007).
Am 12.3.2007 meldete die DAK bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an (Schreiben vom 26.03.2007). Ausgehend von Krankengeld in Höhe von 78,74 EUR kalendertäglich ab dem 1.6.2006 und 79,02 EUR kalendertäglich ab dem 1.11.2006 berechnete sie diesen Erstattungsanspruch zunächst mit 9.818,50 EUR. Auf die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2006 entfielen davon 3.752,04 EUR.
Am 4.4.2007 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Berufung auf § 22 Abs 4 S 4 TVöD einen Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht in Höhe von 3.743,97 EUR geltend. Sie habe dem Versicherten gem. § 22 Abs 2 S 1 TVöD ab dem 9.1.2006 einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Barleistungen der DAK und dem (früheren) Nettoentgelt gezahlt. Nach § 22 Abs 4 S 2 TVöD werde der Krankengeldzuschuss nicht über den Zeitpunkt hinaus gezahlt, von dem an Beschäftigte eine Rente oder eine vergleichbare Leistung auf Grund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder aus einer sonstigen Versorgungseinrichtung erhalten, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist. Nach § 22 Abs 4 S 4 TVöD gelten überzahlter Krankengeldzuschuss und sonstige Überzahlungen als Vorschuss auf für denselben Zeitraum zustehende Leistungen nach Satz 2; der Anspruch des Versicherten sei insoweit kraft tarifvertraglicher Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Der Zahlbetrag errechne sich wie folgt:
- Juni und Juli 2006: Zuschuss zum Krankengeld und vermögenswirksame Leistungen in Höhe von jeweils 478,09 EUR;
- 1. bis 27.8.2006: Zuschuss zum Krankengeld und vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 341,81 EUR;
- Juli 2006: tarifliche Einmalzahlung von 150 EUR, auf die nach den tarifvertraglichen Rege...