Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2109 BKV. bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule -
Orientierungssatz
1. Die Erfüllung des Tatbestandes der Berufskrankheit (BK) Nr. 2109 BKV - bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule - setzt u. a. voraus, dass der Versicherte den dort aufgezeigten beruflichen Einwirkungen "langjähriges Tragen schwerer Lasten auf den Schultern" ausgesetzt war.
2. Nach den Vorgaben des Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2109 BKV muss das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Kopfbeugehaltung und gleichzeitiger maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule führen.
3. Das Tragen von Lasten mit Schultergurten erfüllt die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2109 BKV nicht. Dieses entspricht einem völlig anderen Belastungsprofil.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.04.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - BK 2109).
Der am 00.00.1958 geborene Kläger war von 1977-1997 bei der Firma Glas Q GmbH im Bereich der Isolierglasfertigung beschäftigt, danach war er selbstständig als Gastwirt. Nachdem bei ihm Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) diagnostiziert worden waren, stellte er einen Antrag auf Anerkennung und Entschädigung der BK 2108, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS betrifft. Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 11.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.3.2006). Die Klage blieb erfolglos (Urteil SG Aachen vom 15.6.2007 - S 10 (14) U 49/06-, die Berufung nahm der Kläger im Termin vom 20.9.2012 zurück (L 15 U 203/07 LSG NRW).
Im Berufungsverfahren hatte der Kläger vorgetragen, er habe während seiner Tätigkeit bei der Firma Glas Q auch schwere Lasten über der Schulter tragen müssen, bei ihm bestünden Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS). Darauf leitete die Beklagte ein entsprechendes Feststellungsverfahren zur BK 2109 ein.
Sie ließ zunächst den Bericht ihres Präventionsdienstes vom 13.9.2010 erstellen. Darin gelangte Diplom-Ingenieur I aufgrund der Auswertung von Unterlagen, Kenntnissen im Betrieb und einem Gespräch mit dem kaufmännischen Leiter der Arbeitgeberin W zu dem Ergebnis, der Kläger habe ca. 90 % der Hebe- und Tragevorgänge von Glasscheiben zwischen 20 und 100 kg im Bereich des Glaszuschnittes vor und neben dem Körper ausgeführt, bei ca. 10 % seiner Tätigkeit habe er Transport- und Montagetätigkeiten von produzierten Isolierglasscheiben durchgeführt. Bei letzteren hätten Gewichte von 25-225 kg mit Hilfe von Saughebern mit den Armen angehoben sowie getragen werden müssen, teilweise seien sie auch mit Schultergurt transportiert worden. Durch das Transportieren durch enge Räume, wie Flure und Treppenhäuser, hätten hierbei auch häufig Zwangshaltungen mit vorgebeugtem Körper vorgelegen.
Ferner zog die Beklagte sowohl medizinische Unterlagen aus dem Verfahren zur BK 2108 bei (Gutachten des Orthopäden Dr. S vom 20.3.2007, der Orthopädin Dr. M vom 7.12.2008, des Orthopäden Dr. W vom 29.5.2008 nebst seiner ergänzenden Stellungnahmen vom 23.3.2010 und 6.10.2010) als auch die Arbeitgeberauskunft vom 4.2.2011, auf deren Inhalt im Einzelnen verwiesen wird.
Mit Bescheid vom 14.10.2010 lehnte die Beklagte durch den Rentenausschuss ihrer Bezirksverwaltung X den Antrag ab. Der Kläger habe nur gelegentlich schwere Lasten von 50 kg oder mehr mit einem Tragegurt über der Schulter getragen. Voraussetzung für die Anerkennung der BK 2109 sei aber, dass Lasten von 50 kg oder mehr über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren in einem überwiegenden Teil der Arbeitsschichten mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit getragen worden seien. Da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK nicht vorlägen, erfolge keine weitere Prüfung der medizinischen Voraussetzungen. Der Rentenausschuss war u.a. mit der von der Arbeitgeberseite entsandten Vertreterin Frau T besetzt.
Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, sowohl die arbeitstechnischen als auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der BK 2109 seien gegeben, die bei ihm vorliegenden Veränderungen der HWS seien Folge der beruflichen Tätigkeit. Er habe nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig, häufig und im überwiegenden Teil der Arbeitsschichten schwere Lasten mit schädlichen Ein...