Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 20.01.2023 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2021 verurteilt, das Ereignis vom 30.10.2020 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne der§§ 7 Abs. 1 ,8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin, die an einem frühkindlichen Hirnschaden leidet, ist seit September 1993 als Arbeiterin in einer Werkstatt für behinderte Menschen der E. gGmbH beschäftigt. Ihre tägliche Arbeitszeit reichte im streitgegenständlichen Zeitraum von 8 Uhr bis 14:30 Uhr. Die Klägerin verfügt über einen Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G, H und RF. Sie steht unter gesetzlicher Betreuung durch ihre Mutter.

Nach einer Unfallanzeige des Werkstattträgers erlitt die Klägerin am 20.10.2020 während ihrer Mittagspause um 12:30 Uhr auf dem Außengelände der Werkstatt einen Unfall. Die Klägerin wurde von einem anderen behinderten Mitarbeiter, Herrn V., geschubst und fiel daraufhin zu Boden. Sie klagte danach über Schmerzen im rechten Oberschenkel. Am 03.11.2020 diagnostizierte der Durchgangsarzt des L. H. eine eingestauchte mediale Schenkelhalsfraktur rechts, die am 04.11.2020 operiert wurde. Die Klägerin befand sich bis zum 11.11.2020 in stationärer Behandlung.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Werkstattträger mit, dass die Klägerin regelmäßig in der Mittagspause einen Spaziergang auf dem Außengelände der Werkstatt mache. Es handele sich um eine Runde von ca. 750 Metern. Von einem Ereignis, das den Spaziergang erforderlich gemacht habe, sei nichts bekannt.

Mit Bescheid vom 27.11.2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Spaziergänge in der Mittagspause seien nicht der versicherten Tätigkeit, sondern dem persönlichen, unversicherten Lebensbereich zuzuordnen.

Mit Schreiben vom 01.12.2020 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe sich kurz vor Ende der Pause wenige Meter vor dem Eingang befunden, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollen und gleichzeitig die Toilette aufsuchen wollen. Sie mache dies täglich. Entgegen der Darstellung des Arbeitgebers habe der Täter sie nicht geschubst, sondern brutal zugestoßen. Es liege eine Aufsichtspflichtverletzung vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dieser sei nicht begründet. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach§ 8 Abs. 1 SGB VII seien nicht erfüllt. Die Verrichtung zur Zeit des Unfalls habe nicht in einem inneren, sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit gestanden. Ein Spaziergang während einer Arbeitspause stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für eine weitere betriebliche Betätigung erforderlich sei. Der Versicherte müsse aufgrund besonderer Belastungen durch die bisher verrichtete Tätigkeit zur Durchführung des Spaziergangs veranlasst worden sein. Das allgemeine Interesse eines Unternehmers daran, dass Arbeitspausen in vernünftiger Weise zur Erholung und Entspannung verwendet würden, damit die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhalten bleibe, reiche nicht aus. Der innere Zusammenhang sei nur anzunehmen, wenn die bisherige betriebliche Tätigkeit als wesentliche Ursache eine besondere Ermüdung verursacht habe. Eine Ausnahmesituation habe nicht vorgelegen. Die Klägerin unternehme regelmäßig einen Spaziergang während der Mittagspause. Damit handele es sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Der Unfall habe sich auch nicht kurz vor Ende der Mittagspause ereignet, die von 12 Uhr bis 13 Uhr dauere. Der Toilettengang unterfalle hier nicht dem Unfallversicherungsschutz, da die vorherige Verrichtung nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei.

Am 15.02.2021 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei während der Arbeitszeit sehr angespannt. Die Mittagspause sei behinderungsbedingt erforderlich, um die notwendige Konzentration für die Weiterarbeit zu erlangen. Sie habe von den Betreuern die Erlaubnis erhalten, auch während der Arbeitszeit den Werkraum zu verlassen und im Außenbereich einige Runden zu laufen. Bei dem Ereignis habe sie sich wenige Meter vor dem Eingang befunden, hinter dem die Toiletten lägen. Sie habe einen Rucksack getragen, von dem sich ein an einer autistischen Störung leidender Kollege bedroht gefühlt habe. Dieser habe sie angegriffen und zu Boden geschubst. Bei der rechtlichen Einordnung der Mittagspause sei zu beachten, dass sie sich bereits bei den Umkleideräumen vor der Eingangstür der Werkstat...

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