Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung durch einen Orthopädieschuhmacher. Abrechnungsbetrug. Schuldanerkenntnis. Wirksamkeit

 

Orientierungssatz

Ein Schuldanerkenntnisvertrag iS des § 781 BGB begründet ein selbständiges, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen losgelöstes Schuldverhältnis, das für sich allein eine ausreichende Grundlage für den anerkannten Anspruch bildet. Jene Rechtsbeziehungen, die zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses geführt haben, stellen aber dessen Rechtsgrund dar, was zur Folge hat, dass, wenn sie den anerkannten Leistungsanspruch nicht rechtfertigen, das Anerkenntnis zurückgefordert werden kann. Ein solcher Rückforderungsanspruch kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn die Parteien mit dem Anerkenntnis einen Streit über eine Unsicherheit oder den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beenden und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten Anspruchs eine klare Rechtslage schaffen wollten. Ist dies der Fall, dann unterscheidet sich der konstitutive Schuldbestätigungsvertrag vom sog. deklaratorischen Schuldanerkenntnis nur dadurch, dass er im Gegensatz zu diesem abstrakt ist, also einen selbständigen Anspruchsgrund bildet (vgl BGH vom 24.10.1985 - III ZR 35/85).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.11.2014; Aktenzeichen B 3 KR 22/14 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 106.071,59 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte Zahlungen i.H.v. insgesamt 106.071,59 Euro, die aufgrund eines Schuldanerkenntnisses erfolgt sind, zurückzuzahlen hat.

Der 1954 geborene Kläger erhielt unter dem 07.01.1997 seitens der Beklagten die Zulassung, Versicherte mit orthopädischen Schuhzurichtungen und Schuhreparaturen zu versorgen. Grundlage dieser Zulassung war eine Ausnahmebewilligung der Bezirksregierung Arnsberg gemäß § 8 der Handwerksordnung als Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle zur selbständigen Ausübung des Schuhmacherhandwerks, Teiltätigkeit: Schuhreparaturen und des Orthopädieschuhmacherhandwerks, Teiltätigkeit: orthopädische Schuhzurichtungen als stehendes Gewerbe sowie die nachfolgende entsprechende Eintragung in die Handwerksrolle. Die Zulassung der Beklagten war zunächst befristet bis zum 30.09.1997. In der Folgezeit wurde diese Befristung mehrfach verlängert. Nachdem der Kläger unter dem 20.12.1999 die Meisterprüfung im Orthopädieschuhmacherhandwerk bestanden hatte und entsprechend in die Handwerksrolle eingetragen worden war, ließ ihn die Beklagte mit Wirkung vom 23.12.1999 für die Anfertigung, Instandsetzung und Abgabe von orthopädieschuhtechnischen Hilfsmitteln für ihre Versicherten zu. Unter dem 22.05.2001 erhielt der Kläger neben dem Hauptbetrieb in I noch eine Zulassungserweiterung für einen Filialbetrieb in M.

Am 20.05.2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und am 21.05.2008 wurde der Geschäftsbetrieb gemäß § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Seit September 2008 ist die Beigeladene Inhaberin der Firma Orthopädie Schuhtechnik Q O. Betriebsleiter am Betriebssitz in M ist der Orthopädieschuhmachermeister K L und Betriebsleiter am Betriebssitz in I ist der Kläger.

Nachdem der Beklagten erhebliche Ausgabensteigerungen für orthopädieschuhtechnische Leistungen aufgefallen waren, für die der Kläger als mitverantwortlich angesehen wurde, da er im Vergleich zu anderen Orthopädieschuhmachern deutlich höhere Kosten verursachte, ermittelte die Beklagte für die Zeit von 1997 bis Juni 2001 mit ihr vom Kläger insgesamt abgerechnete Kosten i.H.v. 652.296,99 DM für 961 Behandlungsfälle. Verglichen mit den durchschnittlichen Fallwerten für entsprechende Versorgungen stellte die Beklagte einen Schaden durch zu hohe Abrechnungen i.H.v. 438.707,40 DM fest. Außerdem überprüfte die Beklagte 19 Versorgungsfälle und gelangte zu dem Ergebnis, es lägen zahlreiche Beanstandungen vor, da die Versorgungen nicht den Abrechnungen entsprächen und teilweise auch Mängel vorlägen. Von den für die überprüften Versorgungen in Rechnung gestellten 41.930,92 DM seien 14.395,42 DM zu Unrecht abgerechnet worden.

Aufgrund dieser Ermittlungen kam es am 20.07.2001 zu einer Unterredung der Beklagten mit dem Kläger. An dem Gespräch nahmen neben dem Kläger auch die Beigeladene sowie vier Mitarbeiter der Beklagten teil. Der Kläger unterzeichnete folgende Erklärung:

1. Hiermit erkenne ich an, bei Versicherten der AOK Märkischer Kreis in zahlreichen Fällen Versorgungen von orthopädischen Maßschuhen und Zurichtungen an Konfektionsschuhen abgegeben zu haben, die den ärztlichen Verordnungen nicht entsprachen.

2. Außerdem wurden in einer Vielzahl von Fällen Kostenvoranschläge und Abrechnungen über die Versorgungen mit der AOK vorgenommen, die den Leistungen nicht entsprachen. Den...

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