Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Erforderlichkeit der Heranziehung einer besonderen Person für die Haushaltsführung. Übernahme der angemessenen Kosten. Sachleistungsanspruch. Beurteilung der Angemessenheit nach der mit dem Leistungserbringer bestehenden Vergütungsvereinbarung. Verweis auf Bedarfsdeckung im Arbeitgebermodell
Orientierungssatz
1. § 70 Abs 3 S 3 SGB 12 beinhaltet einen Sachleistungsanspruch.
2. Die Angemessenheit der Kosten beurteilt sich grundsätzlich nach der mit dem Leistungserbringer bestehenden Vergütungsvereinbarung.
3. Der Leistungsberechtigte kann nicht darauf verwiesen werden, seinen Bedarf durch das Arbeitgebermodell zu decken.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.03.2020 geändert.
Der Bescheid vom 31.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die Beauftragung der Beigeladenen im Monat Mai 2017 iHv 71,60 EUR zu übernehmen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 4/10 der außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt (noch) die Übernahme der Kosten für ihre hauswirtschaftliche Versorgung durch einen Pflegedienst im Monat Mai 2017.
Die im Jahr 1968 geborene Klägerin ist verwitwet. Im Jahr 2009 bestand bei ihr ein massives Übergewicht (200 kg bei einer Körpergröße von 1,70 m) und ihre Wohnung war so stark verwahrlost, dass sie dort nicht mehr leben konnte. Sie wurde in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgenommen und dort vom MDK begutachtet. Nach dem Gutachten vom 23.04.2010 bestand ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 35 Minuten am Tag und im Bereich der Mobilität von zwölf Minuten am Tag. Damit waren die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt, sodass die Pflegekasse entsprechende Leistungen bewilligte.
Die Klägerin zog nach der Entlassung aus der Einrichtung allein in eine andere Wohnung. Sie vereinbarte mit der Beigeladenen, die ambulante Pflegeleistungen anbietet und im Jahr 1995 einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI mit den Pflegekassen und der Beklagten abschloss, am 02.06.2010 die Übernahme der häuslichen Pflege, die neben der pflegerischen Versorgung auch hauswirtschaftliche Leistungen beinhaltete. Soweit die Kosten nicht durch die Leistungen der Pflegeversicherung abgedeckt werden konnten, übernahm die Beklagte diese mit Bescheid vom 01.06.2010 im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
Die Klägerin wurde im Jahr 2015 erneut vom MDK begutachtet. Danach bestand ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von neun Minuten pro Tag und im Bereich der Mobilität von fünf Minuten pro Tag. Da die Voraussetzungen für die Pflegestufe I damit nicht mehr erfüllt waren, stellte die Pflegekasse die Leistungen nach dem SGB XI mit Bescheid vom 11.03.2015 ein. Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 28.04.2015 ihren letzten Bewilligungsbescheid vom 21.12.2011 auf und bewilligte ab dem 01.04.2015 Hilfe zur Pflege, indem sie die Kosten für eine Ganzwaschung dreimal pro Woche, eine Teilwaschung viermal pro Woche, eine große hauswirtschaftliche Versorgung einmal pro Woche und eine Hausbesuchspauschale achtmal pro Woche übernahm. Für die Gewährung der beantragten Hilfe sei jedoch nicht allein entscheidend, ob die Klägerin die Voraussetzungen des Siebten Kapitels des SGB XII erfülle, sondern auch, inwieweit ihr die Deckung des Bedarfes aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen zuzumuten sei. Das Einkommen der Klägerin iHv insgesamt 1.272,49 EUR übersteige die Einkommensgrenze von 1.187,69 EUR, sodass sie sich mit 84 EUR an den Kosten beteiligen müsse. Besondere Belastungen, die nicht im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit stünden, habe sie nicht geltend gemacht, sodass es ermessensgerecht sei, den übersteigenden Teil des Einkommens in voller Höhe zur Bedarfsdeckung heranzuziehen. Die Aufwendungen für die besondere Pflegekraft würden in dem vorgenannten Umfange direkt mit dem ambulanten Pflegedienst abgerechnet, der von der Beklagten eine entsprechende Mitteilung erhalten habe. Die Sozialhilfe werde jeweils nur für einen Monat gewährt. Sie werde jedoch fortlaufend ohne Antrag längstens bis zu einem Jahr gezahlt, solange aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII vorliege. Entfalle die Hilfebedürftigkeit ganz oder teilweise, so werde die Sozialhilfe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr oder nur in Höhe des festgestellten Bedarfes weitergewährt, ohne dass es eines besonderen Widerrufes bedürfe. Mit Schreiben vom 29.06.2016 setzte die Beklagte den Eigenanteil der Klägerin zu den Rechnungen des Pflegedienstes ab dem 01.07.2016 auf monatlich 145 EUR fest.
Am 06.03.2017 erfolgte eine weitere Begutachtung durch den MDK. Zum damaligen Zeitpunkt wog die Klägerin 151 kg. Aufgrund der...