Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit - Druckschädigung der Nerven - Nr. 2106 BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach § 9 Abs. 1 SGB 7 müssen die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit i. S. des Vollbeweises vorliegen.

2. Eine Anerkennung der BK Nr. 2106 der BKV setzt den Nachweis einer isolierten Druckschädigung der Nerven voraus.

3. Allein aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von Erkrankungen nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen einer BK geschlossen werden. Vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (BSG Urteil vom 23. 4. 2015, B 2 U 10/14 R).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.07.2020; Aktenzeichen B 2 U 11/20 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.08.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nummer 2106 (BK 2106) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Druckschädigung der Nerven - sowie einen darauf gegründeten Anspruch auf Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII).

Der am 00.00.1952 geborene Kläger war in Bosnien-Herzegowina - nach der Ausbildung zum Maschinenschlosser - vom 21.07.1971 bis 24.11.1971 laut seinen Angaben in einem Bergwerk unter Tage mit Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten beschäftigt. Nach dem Wehrdienst als Telegrafist verrichtete er ab dem 01.03.1973 bei der Firma S zunächst die gleichen Arbeiten wie zuvor. Ab April 1974 war er bei dieser Firma im Auftrag der Firma U GmbH im deutschen Steinkohlenbergbau mit Arbeiten im Streckenvortrieb befasst. Die Firma U GmbH übernahm die Mitarbeiter der Firma S ab 01.11.1983. Seine Tätigkeit gab der Kläger im Dezember 2003 auf.

Wegen der Folgen von Arbeitsunfällen (09.06.1984, 06.02.1988 und 06.12.2003) sowie wegen weiterer BKen (BK 2301, BK 4101, BK 4102, BK 4111, BK 2102, BK 2103, BK 2104, BK 2108, BK 2109, BK 2110, BK 2112) waren weitere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auch betreffend die Überprüfung bindend ablehnender Bescheide gem. § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) anhängig.

Mit einem Schreiben vom 11.03.2013 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe im Januar 2013 einen "Antrag gestellt auf Berufskrankheit Liste Nr. 2106".

Die Beklagte lehnte nach Eingang von Unterlagen betreffend die Tätigkeiten des Klägers und Vorlage eines Berichtes der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie C vom 26.02.2013 gestützt auf eine Stellungnahme des Leiters des Präventionsbereichs C1 vom 30.07.2013 mit Bescheid vom 29.08.2013 das Vorliegen einer BK 2106 ab und stellte fest, dass "Ansprüche auf Leistungen" nicht bestünden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei der Kläger während seiner Berufstätigkeit keinen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die zur Verursachung einer BK geeignet gewesen seien. Nach der Stellungnahme des Präventionsdienstes sei der Kläger bei seinen Tätigkeiten mit druckluftbetriebenen Werkzeugen und weiteren Handwerkzeugen sowie beim Tragen schwerer Lasten einer Gefährdung im Sinne einer BK 2106 nicht ausgesetzt gewesen.

Mit seinem Widerspruch vom 04.09.2013 vertrat der Kläger die Auffassung, bei ihm lägen sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2106 vor. "N. tibialis und N. ulnaris" seien beschädigt. Die Ausführungen des Präventionsdienstes seien unzutreffend. Herrn C1 sei bekannt, dass er einen schweren und anstrengenden Beruf ausgeübt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er behaupte, dass die Tätigkeit nicht geeignet sei, eine BK 2106 zu verursachen.

Die Beklagte holte hieraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 17.10.2013 ein, in der Herr C1 nach Rücksprache mit Kollegen seine frühere Stellungnahme korrigierte. Der Anteil der Tätigkeiten, bei denen der Kläger unter beengten räumlichen Verhältnissen kniend oder mit aufgestützten Ellenbogen gearbeitet habe, sei höher einzuschätzen als zunächst angenommen. Dieser sei einer Gefährdung im Sinne der BK 2106 zuletzt bis Ende 2003 ausgesetzt gewesen.

Die Beklagte zog Unterlagen aus dem Verfahren betreffend die BK 2103 (Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen) bei. In diesem Verfahren vertrat der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie und Sozialmedizin Dr. B in einem Gutachten vom 08.04.2013 die Auffassung, das bei dem Kläger bestehende Schadensbild sei "ausschließlich der BK 2103 zuzuordnen" und mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. zu bewerten. Der Chefarzt der Abteilung für orthopädische Chirurgie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie der D-Klinik, I, Dr. C2 führte in seiner ...

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