Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Hilfebedürftigkeit. "Rücknahme" des Sozialhilfeantrags. Verzicht
Orientierungssatz
1. Die Kenntnis iS von § 18 Abs 1 SGB 12 entfällt nicht durch die in Erwartung einer vermeintlichen Unterstützung durch den Schwiegersohn (rückwirkend) erklärte "Rücknahme" des Sozialhilfeantrags, wenn der Sozialhilfeträger angesichts der angegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Hilfebedürftigkeit ausgehen musste.
2. Die bloße Rücknahme eines bereits gestellten Sozialleistungsantrags beinhaltet keinen Verzicht auf Leistungen iS von § 46 Abs 1 SGB 1.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.05.2016 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2014 verurteilt, an die Klägerin 17.305,70 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 9/10.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Heimkosten als Hilfe zur Pflege, wobei die Klägerin als Heimträger einen Anspruch aus übergegangenem Recht nach § 19 Abs. 6 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) geltend macht.
Der am 00.00.1941 geborene Leistungsberechtigte, X M (nachfolgend: Leistungsberechtigter), verstarb am 20.10.2011. Seit dem 15.12.2010 befand er sich stationär in dem Pflege- und Betreuungszentrum, dessen Trägerin die Klägerin ist. Von der Pflegeversicherung bezog der Leistungsberechtigte Leistungen nach der Pflegestufe II. Der zwischen der Klägerin und dem Leistungsberechtigten geschlossene Wohn- und Betreuungsvertrag vom 11.01.2011 sah in § 12 den Eintritt der Fälligkeit des monatlichen Heimentgelts (§ 10) innerhalb von 10 Tagen nach Rechnungsstellung durch den Träger vor. Die ersten, an die Ehefrau des Leistungsberechtigten, die Zeugin M, gerichteten Abrechnungen der Klägerin für die Monate Januar bis April 2011 datieren vom 20.04.2011.
Ausweislich einer Beratungsdokumentation des Beklagten erschien am 28.04.2011 die Tochter des Leistungsberechtigten und gab an, der Heimaufenthalt ihres Vaters werde voraussichtlich noch länger dauern. Ihre Mutter habe jetzt die erste Rechnung erhalten und könne diese nicht bezahlen. Es werde Sozialhilfe beantragt. Ein schriftlicher Antrag auf Sozialhilfe wurde unter dem 04.05.2011 aufgenommen. In diesem ist u.a. angegeben, dass sich das Renteneinkommen der Eheleute auf insgesamt ca. 960,00 EUR beläuft und dass die eigenen Mittel nicht ausreichen. Ferner wurden eine Sterbegeldversicherung (Kapitalversicherung auf den Todesfall) des Leistungsberechtigten sowie eine Risikolebensversicherung der Ehefrau angegeben. Hinsichtlich der Kapitalversicherung betrug ausweislich der Unterlagen zu einem Antrag auf Pflegewohngeld der Rückkaufswert zum 01.02.2011 185,24 EUR bei einem Stornoabzug von 81,96 EUR. Unterzeichnet ist der Antrag auf Sozialhilfe von der Ehefrau des Leistungsberechtigten, der Zeugin M. In einer weiteren Beratungsdokumentation vom 17.05.2011 heißt es, die Zeugin M habe angerufen und mitgeteilt, dass sie den Sozialhilfeantrag zurückziehe. Ihr Schwiegersohn sei ein "hohes Tier bei der H" und würde die anfallenden Kosten übernehmen. Ihr sei mitgeteilt worden, die Erklärung würde schriftlich benötigt. Mit am 18.05.2011 bei der Stadt C eingegangenem Schreiben vom 17.05.2011 teilte die Zeugin M mit, sie ziehe den von ihr gestellten Sozialantrag vom 04.05.2011 zurück.
Von der Klägerin wurde sodann am 21.06.2011 für den Leistungsberechtigten ein Antrag auf Pflegewohngeld gestellt. Dieser wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Beklagten vom 29.11.2011 wegen mangelnder Mitwirkung abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass angeforderte Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden seien.
Mit Schreiben vom 10.01.2014 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und forderte diesen zur Übernahme von Heimkosten in Höhe von 18.435,25 EUR auf. Sie führte aus, mit dem Tode des Leistungsberechtigten sei dessen Anspruch auf sie gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII übergegangen. Der Leistungsberechtigte habe die Heimkosten mangels eigenen Vermögens nicht selbst zahlen können, so dass ein erheblicher Zahlungsrückstand in der o.a. Höhe entstanden sei. Die Klägerin übermittelte eine entsprechende Forderungsaufstellung einschließlich Rechnungen an die Ehefrau des Leistungsberechtigten, die Zeugin M.
Mit Bescheid vom 10.02.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. In der Begründung wurde ausgeführt, der Verstorbene hätte für die Zeit seines Heimaufenthaltes keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt. Der am 04.05.2011 von der Ehefrau des Leistungsberechtigten gestellte Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten aus Sozialhilfemitteln sei zunächst telefonisch am 17...