Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Unternehmensberater für Personalwirtschaft
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein im Bereich der Personalwirtschaft tätiger Unternehmensberater gegenüber seinem Auftraggeber weisungsgebunden, hat er seine Arbeitsleistung in Vollzeit zu erbringen, ist er in die Arbeitsorganisation seines Auftraggebers eingegliedert und seinem Auftraggeber gegenüber zur Beratung dessen Kunden verpflichtet, hat er eine eigene Betriebsstätte nicht zu unterhalten und ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Dem widerspricht nicht das Fehlen einer Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub und die Befugnis, für weitere Auftraggeber tätig zu werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.11.2014 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im gesamten Verfahren tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 jeweils mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Unternehmensberater mit Schwerpunkt SAP Personalwirtschaft für die Klägerin vom 1.1.2010 bis 31.3.2010 und vom 1.9.2010 bis 31.12.2010 in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und vom 1.1. bis 31.12.2011 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Klägerin, die früher unter O. GmbH und H. Management Consulting GmbH firmierte, ist ein Beratungsunternehmen der IT-Branche und erbringt gegenüber ihren Kunden Beratungsdienstleistungen im Bereich SAP Human Capital Management, insbesondere für die Kundin S. Ltd., Basel/Schweiz einschließlich deren Tochtergesellschaften (im Folgenden: S.).
Der am 00.00.1962 geborene Beigeladene zu 1) wurde für sie im streitigen Zeitraum im Rahmen des für S. durchgeführten Projektes "CHRIS" (= Common Human Ressources Information System / Gemeinsames Personalwirtschaftssystem) tätig. Vertragspartner von S. war dabei nicht die Klägerin (selbst), sondern deren Schweizer Muttergesellschaft, die damalige O.-HR SA, nunmehr L.-HR SA, Genf (im Folgenden: Muttergesellschaft). Zwischen der Muttergesellschaft und ihren - verschiedenen - Tochtergesellschaften (wie auch der Klägerin) bestehen interne vertragliche Vereinbarungen. Danach werden die für eine Auftragsdurchführung notwendigen Ressourcen auch von den anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe zur Verfügung gestellt, soweit dies erforderlich ist. Hierbei kann es sich sowohl um interne Mitarbeiter als auch um "externe" Mitarbeiter, zu denen der Beigeladene zu 1) gerechnet wurde, handeln. Das Gesamtprojekt für S. bearbeitete die Klägerin in der Spitze mit bis zu 110 Personen, von denen 50 interne Mitarbeiter und ca. 50 bis 60 externe Mitarbeiter waren. In der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeiten gab es zwischen internen und externen Mitarbeitern keine signifikanten Unterschiede.
Der Vertragsbeziehung zwischen S. und der Muttergesellschaft der Klägerin lagen ein Angebot ("Joined Solution proposal for S. Common HR Information System (CHRIS) presented by O.-HR SA and S1 Group prepared for S." / "Gemeinsames Angebot für das S. Common HR Information System (CHRIS)/Gemeinsames Personalwirtschaftssystem, vorgelegt durch O.-HR SA und RoC Group, erstellt für S." vom 27.8.2008 - im Folgenden: Angebot) und eine Leistungsbeschreibung ("Statement of Work for Common HR Information System (CHRIS) Program O.-HR SA, Geneva and S1 GmbH, Walldorf" / "Leistungsbeschreibung für das Programm: Common HR Information System (CHRIS) / Gemeinsames Personalwirtschaftssystem O.-HR SA, Genf und S1 GmbH, Walldorf" - im Folgenden: Leistungsbeschreibung) zugrunde. Das Angebot hatte die Muttergesellschaft der Klägerin konsortial auf eine Ausschreibung von S. ("Common HR Information System (CHRIS) Request for Proposal (RFP)" / "Gemeinsames Personalwirtschaftssystem (CHRIS) Ausschreibung (RFP)") abgegeben. Aus der Ausschreibung ergeben sich keine weiteren Vertragsinhalte zu Aufgaben oder organisatorischen Stru...