Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Leistungen der örtlich zuständigen kommunalen Grundsicherungsträger untereinander von Kosten des Aufenthalts in einem Frauenhaus
Orientierungssatz
1. Nach § 36a SGB 2 ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfebedürftigen verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten, wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht.
2. Von der Erstattungspflicht erfasst sind alle Leistungen, die vom kommunalen Träger nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB 2 an die leistungsberechtigte Frau sowie an die gfs. mit ihr im Frauenhaus lebenden Kinder für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus rechtmäßig erbracht werden. Nur in diesem Fall entsteht eine Vergütungspflicht, hinsichtlich deren Kostenerstattung geltend gemacht werden kann.
3. Die Leistungsträger des SGB 2 sind für die Vergütung der Leistung gemäß § 17 Abs. 2 SGB 2 nur verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen, die Vergütung sowie die Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen besteht.
4. Ohne die Vereinbarung besteht keine Leistungspflicht. Eine dennoch gezahlte Vergütung ist in diesem Fall rechtswidrig.
5. Dies gilt auch dann, wenn in der bestehenden Vereinbarung lediglich jede Regulierung über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen fehlt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2015 geändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 3.238,26 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten iHv 3.238,26 Euro für die Betreuung der am 00.00.1981 geborenen Frau N P und ihres am 00.00.2010 geborenen Sohnes F in einem Frauenhaus für die Zeit vom 10.08.2010 bis zum 04.12.2010.
Der Kläger ist ein Landkreis, die Beklagte eine kreisfreie Stadt. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte bilden jeweils mit der Bundesagentur für Arbeit eine gemeinsame Einrichtung gem. § 44b SGB II. Der Kläger und die Bundesagentur für Arbeit vereinbarten im Vertrag zur Gründung des "Jobcenter Kreis W" vom 12.12.2010, dass die Durchführung der Aufgaben nach §§ 16a und 36a SGB II beim Kläger verbleibt (§ 4 Abs. 1 der Vereinbarung). Eine gleichlautende Bestimmung findet sich in der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Bundesagentur für Arbeit über die Bildung einer gemeinsamen Einrichtung vom 10.09.2014 (§ 3 Abs. 1 der Vereinbarung). Die Beklagte übertrug durch Beschlüsse der Trägerversammlung vom 10.11.2012 und vom 13.11.2015 die Bearbeitung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 36a SGB II der Beklagten.
Die erwerbsfähige und hilfebedürftige nigerianische Staatsangehörige N P wohnte bis Anfang August 2010 in O. Nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann übernachtete sie eine Woche bei einer Freundin. Im unmittelbaren Anschluss zog sie am 10.08.2010 in das Frauenhaus in W, wo bis zum 04.12.2010 blieb. In dieser Zeit bezog sie Leistungen nach dem SGB II von der damaligen ARGE W (Bewilligungsbescheide vom 26.08.2010, 05.10.2010 und 21.10.2010).
Träger des Frauenhauses sind der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) W e.V. und der SKF L e.V. Am 09.01.1995 haben der SKF W und der SKF L mit dem Kläger als örtlichem Träger der Sozialhilfe eine "Vereinbarung über den Betrieb eines Frauenhauses" abgeschlossen. Auf den Inhalt der Vereinbarung wird verwiesen.
Frau P wurde von den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses betreut. Die Mitarbeiterinnen vereinbarten einen Termin bei einem Rechtsanwalt zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche und begleiteten sie zu diesem Termin am 23.08.2010. Weitere Betreuungsleistungen waren: Mitteilung der Adressänderung an die Sparkasse O, Anforderung der Kontoauszüge der letzten drei Monate, Errichtung eines neuen Kontos; Beratung zur erlebten häuslichen Gewalt und Klärung der Zukunftsperspektiven; Suche einer Hebamme wegen der bevorstehenden Geburt; Einholung der Rentenversicherungsnummer; Beschaffung von Babykleidung, Kinderwagen und Zubehör; Unterrichtung im Umgang mit einem Neugeborenen; Antrag einer Auskunftssperre bei der Stadtverwaltung; Antrag auf Kindergeld; Anmeldung des Kindes bei der Krankenkasse; Schreiben an Ausländerbehörde mit Bitte um Zusendung der Heiratsurkunde; Beantragung der Geburtsurkunde. Da Frau P die Anträge nicht verstehen und ausfüllen konnte, haben die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus dies für sie erledigt. Diese haben alle Unterlagen beigebracht und Frau P bei den Terminen begleitet.
Mit Schreiben vom 31.08.2010 zeigte der Kläger der Beklagten den Frauenhausaufenthalt an. Mit Schreiben vom 25.11.2010 erkannte die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach an. Mit Schreiben vom 14.01.2011 machte der Kläger für Frau P und ab Oktober 2010 zusätzlic...