Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Gesellschafter in der Funktion eines Verkaufsförderers angestellten Geschäftsführers einer GmbH
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Erhält ein als Propagandist bzw. Verkaufsförderer Tätiger eine feste monatliche Vergütung sowie Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall, ist er in einen Betrieb eingegliedert und untersteht er dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung des Unternehmens und verfügt er als Gesellschafter des Unternehmens über keine Sperrminorität, so ist von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Eine erteilte Einzelvertretungsbefugnis und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer nicht untypisch und deutet nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14.3.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Klageverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, tragen die Klägerin zu 5/8 und die Beklagte zu 3/8. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Klageverfahren bis zum 7.3.2013 auf 61.762,50 Euro und für die Zeit ab dem 8.3.2013 und für das Berufungsverfahren auf 40.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin seit dem 1.7.2005 bis 9.7.2014 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Klägerin wurde 2002 gegründet (notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag vom 15.2.2002 - GesV 2002 -; eingetragen ins Handelsregister des Amtsgerichts - AG - F am 27.2.2002 unter HRB 000). Der Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von künstlerisch gestalteten Glaswaren sowie der Glashandel und die Montage von Glas jeglicher Art (vgl. § 2 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 9.2.2005 - GesV 2005 -, in der Fassung vom 13.9.2010 - GesV 2010 -, und in der Fassung vom 25.6.2014 - GesV 2014 -).
Die Regelungen zu Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Klägerin lauteten wie folgt:
- § 11 GesV 2002 ("Beschlussfähigkeit, Stimmrecht, Beschlussfassung"):
"1. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Gesellschafter vertreten sind.
2. Jede 50,00 EUR eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
3. Beschlüsse können auch auf schriftlichem Weg oder telegrafisch durch die Geschäftsführer herbeigeführt werden, ohne dass es der Abhaltung einer Versammlung bedarf."
- § 6 GesV 2010 ("Gesellschafterbeschlüsse") auszugsweise:
"1 ...
2 ...
3. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens 51 % des Stammkapitals vertreten ist ...
4. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der erschienenen Stimmen gefasst, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben.
5. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je EURO 50,00 eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
6 ...
7 ..."
Der Gesellschaftsvertrag wurde unter dem 25.6.2014 bei am 10.7.2014 erfolgter Eintragung ins Handelsregister geändert (GesV 2014). Die Regelungen zu den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Klägerin lauteten sodann auszugsweise wie folgt:
" ...
§ 6
Gesellschafterversammlung, Gesellschafterbeschlüsse
(1) - (3) ...
(4) Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens 60 % des Stammkapitals vertreten sind. Sie beschließt mit einfacher Mehrheit des Stammkapitals, soweit nicht durch Gesetz oder diesen Gesellschaftsvertrag - insbesondere § 7 dieses Gesellschaftsvertrages - eine andere Mehrheit zwingend angeordnet ist. Je 1,00 EUR eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
(5) - (6) ...
§ 7
Qualifizierte Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse
(1) Gesellschafterbeschlüsse zu folgenden Beschlussgegenständen bedürfen einer Mehrheit von 75 % der Stimmen und, solange sie Gesellschafter sind, der Zustimmung der Gesellschafter B T, H T und F C:
1. - 10 ...
(2) Gesellschafterbeschlüsse zu folgenden Beschlussgegenständen bedürfen einer Mehrheit von 75 % der Stimmen und, solange s...