Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung einer überzahlten Witwenrente
Orientierungssatz
1. Hat die Bezieherin einer Witwenrente nach Antragstellung bzw. nach Erlass des Bescheides Einkommen erzielt, welches zur Minderung des Witwenrentenanspruchs geführt hat, so führt dies dies nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB 10 zur Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an. In einem solchen Fall gilt für den Erlass eines Rücknahmebescheides die 10-Jahres-Frist des § 48 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 45 Abs. 3 S. 3 SGB 10.
2. Diese 10-Jahres-Frist verlängert sich nach § 48 Abs. 4 S. 3 SGB 10, wenn die Witwenrente bis zum Beginn des Rücknahmeverfahrens gezahlt worden ist.
3. Als Bezieherin einer Witwenrente ist die Leistungsempfängerin nach § 60 SGB 1 verpflichtet, dem Rentenversicherungsträger das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen.
4. Verschweigt die Leistungsempfängerin bewusst wahrheitswidrig ein begründetes Beschäftigungsverhältnis, so ist sie ihrer Pflicht zur Mitteilung von Einkommen zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen.
5. Liegt ein atypischer Fall nicht vor, so ist der Versicherungsträger nicht verpflichtet, Ermessenserwägungen bei Erlass seines Rückforderungsbescheides anzustellen. Bei Wahrung der einjährigen Handlungsfrist nach § 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB 10 sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 Abs. 1 S. 2 SGB 10 zu erstatten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.12.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X darüber, ob die Beklagte von der Klägerin überzahlte Witwenrente (ca. 57.000 Euro) für die Jahre 1989 bis 2000 zurückfordern kann.
Die 1944 geborene Klägerin ist die Witwe des 1942 geborenen und am 00.12.1987 verstorbenen M (Versicherter), der bei der Beklagten rentenversichert war.
Die Klägerin war seit 1965 mit dem Versicherten verheiratet. Sie war von 1965 bis 1973 und dann nach einer längeren Pause erneut vom 01.05.1987 bis zum 18.11.1987 beschäftigt. Am 02.01.1988 nahm sie eine bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; später Deutsche Rentenversicherung Bund) renten- und bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) krankenversicherte Beschäftigung auf, und zwar zunächst eine Halbtagstätigkeit bei der Firma I zu einem Bruttogehalt von monatlich 1500,- DM; ab Dezember 1988 übte sie dann eine Vollzeitbeschäftigung bei der B Grundstücks AG zu einem Bruttogehalt von monatlich 4.125,- DM aus.
Am 07.01.1988 füllte die Klägerin Antragsvordrucke der Beklagten auf Hinterbliebenenrente, konkret Witwenrente und Halbwaisenrente, und Meldeformulare für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei dem Versichertenältesten Herrn H aus, der die Annahme des Antrags bzw. der Meldung auf den Vordrucken auch jeweils gegenzeichnete. Am 20.02.1988 füllte die Klägerin erneut einen mit dem Antrag vom 07.01.1988 identischen Antragsvordruck aus, ebenfalls im Beisein und unter Gegenzeichnung von Herrn H. Im Rahmen der Rentenantragstellung vom 07.01.1988 verneinte die Klägerin im Zusatzfragebogen RA 5 d (Zusatzfragebogen Einkommen zum Antrag auf Hinterbliebenenrente) die Fragen nach Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen und machte auch in den Feldern zu Beschäftigungsart und Arbeitgeber keine Angaben. Im Rahmen der Rentenantragstellung vom 20.02.1988 unterzeichnete sie unter Punkt 19 die Erklärung, dass sie die Beklagte unverzüglich benachrichtigen werde, falls oder sobald eine der im Zusatzfragebogen RA 5d genannten Einkommensarten bezogen oder beantragt werde bzw. wenn sich die Höhe dieser bereits bezogenen Einkommensarten ändern werde. Nach ihren Angaben hat die Klägerin dem - inzwischen verstorbenen - Versichertenältesten Herrn H im Rahmen der Antragstellung am 07.01.1988 die Aufnahme eines Probearbeitsverhältnisses am 02.01.1988 mitgeteilt. Nach ihren weiteren Angaben hat dieser ihr daraufhin dazu geraten, die Probezeit abzuwarten und der Beklagten danach Meldung von der Beschäftigung zu machen.
Auf der Rückseite des Meldeformulars zur KVdR vom 07.01.1988 bestätigte die KKH der Beklagten am 27.01.1988, dass die Klägerin zuletzt vor der Antragstellung vom 07.01.1988 bei der KKH nach §§ 165 Absatz 1 Nr. 1, 2, 2a, 4, 166 RVO pflichtversichert war und dass ab Rentenantragstellung weiterhin eine vorrangige Pflichtversicherung der Klägerin bestehe. Das Formular ging bei der Beklagten am 28.01.1988 in Abteilung 26 ein.
Nach den Angaben der Klägerin sollen dem Versichertenältesten Herrn H in der Folgezeit zwei Schreiben der Klägerin übergeben worden sein, und zwar ein Schreiben vom 24.02.1988, mit dem sie der Beklagten die Aufnahme einer Halbtagstätigkeit zum 01.01.1988 bei der Firma I als Sekretärin mit einem Brutto-Lohn von monatlich 1.500,- DM mitteilt, sowie ein Schreiben vom 18.12.1988, mit dem sie der Beklagten die Aufnahme einer Vollze...