Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Besetzung des Gerichts bei Rechtsstreit über Auskünfte bzgl Sozialdaten durch Krankenkasse an Versicherten. Auskunftsrecht des Betroffenen nach § 83 SGB 10. keine Verdrängung durch § 305 SGB 5. Zulässigkeit der unselbstständigen Anschlussberufung

 

Orientierungssatz

1. Macht ein Versicherter Ansprüche aus seinem Krankenversicherungsverhältnis geltend, indem er Auskunft über die Sozialdaten begehrt, die der Krankenkasse aufgrund seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bekannt geworden sind, handelt es sich um eine Angelegenheit der Krankenversicherung.

2. Die Regelung des § 83 SGB 10 wird nicht durch die Regelung des § 305 SGB 5 verdrängt.

3. Für die Zulässigkeit der unselbstständigen Anschlussberufung ist es erforderlich, dass die selbstständige Berufung des Gegners zulässig ist und die Anschlussberufung den gleichen prozessualen Anspruch betrifft (vgl BSG vom 8.7.1969 - 9 RV 256/66 = SozR Nr 12 zu § 521 ZPO und BSG vom 23.6.1998 - B 4 RA 33/97 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.11.2010; Aktenzeichen B 1 KR 12/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.08.2009 wird zurückgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu 1/3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über gespeicherte personenbezogene Sozialdaten der Jahre 2001 bis 2003.

Der 1972 geborene Kläger, der in der Zeit vom 01.02.2001 bis zum 13.02.2005 als Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei der BKK H versichert war, wandte sich unter dem 30.05.2005 an die genannte Krankenkasse und bat um Auskunft, welche medizinischen Leistungen während seiner Mitgliedschaft für ihn abgerechnet worden seien. Er benötige diese Angaben, weil er bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung Angaben zu den medizinischen Behandlungen der letzten fünf Jahre machen müsse.

Die Krankenkasse wandte sich daraufhin mit dem Begehren, dem Kläger Auskunft über die Arztbesuche und Abrechnungen der letzten fünf Jahre zu geben, an die Beklagte. Die Beklagte erteilte daraufhin eine Versichertenauskunft gemäß § 305 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für das Jahr 2004. Die Daten für das 1. Quartal 2005 würden nach deren Vorliegen - voraussichtlich im September des Jahres - zugestellt. Daten für Zeiten vor 2004 könnten nicht übermittelt werden, da gemäß § 305 Abs. 1 SGB V nur die Verpflichtung bestehe, den Versicherten über in Anspruch genommene Leistungen und deren Kosten für das jeweils letzte Geschäftsjahr zu informieren.

Mit Schreiben vom 28.07. und 15.09.2005 wandte der Kläger sich gegen die Beschränkung der Auskunft auf die Zeit ab dem Jahr 2004. Die Beklagte habe selbst angegeben, dass sie auch aus dem Geschäftsjahr 2003 elektronische Behandlungsdaten gespeichert habe. Im Hinblick auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und § 810 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe er Anspruch darauf, dass sämtliche bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten über seine Person bekanntgegeben würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass seine Versichertenkarte im Sommer 2003 zusammen mit weiteren Papieren in seiner Geldbörse kurzfristig verloren gegangen und im Fundbüro C später abgegeben worden sei. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte eventuell die Karte rechtswidrig gebraucht hätten und deren Behandlungen als die seinigen verbucht worden seien. Unter dem 25.08. und 04.10.2005 lehnte die Beklagte die Erteilung der Auskünfte erneut ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Art und Umfang des Auskunftsanspruchs seien in § 305 SGB V abschließend geregelt und diesen Anspruch habe sie erfüllt.

Bereits am 20.07.2006 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat vorgetragen, die Erteilung der Auskunft, auf die er als Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und zugleich aus § 19 Abs. 1 BDSG einen Anspruch habe, sei von der Beklagten rechtswidrig verweigert worden. Außerdem bestehe der Anspruch auch gemäß § 83 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Diese Regelung werde nicht durch § 305 SGB V verdrängt. Vielmehr seien die Vorschriften des SGB V und SGB X verfassungskonform orientiert an dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung auszulegen.

Durch Beschluss vom 11.10.2006 hat das SG Köln den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.08.2005 und 04.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2008 zu verurteilen, ihm schriftlich Auskunft über sämtliche bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten über ihn aus den Jahren 2001 bis 2003 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ...

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