Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zahlungen aus Restschuldversicherung. keine bereiten Mittel. Berücksichtigung einer Rentennachzahlung. Abweichung vom Zuflussprinzip
Orientierungssatz
1. Die Versicherungsleistungen aus einer Restschuldversicherung sind nicht als Einkommen gemäß § 11 SGB 2 zu berücksichtigen.
2. Auch wenn eine Rentennachzahlung für die Vergangenheit außerhalb des vorliegenden Streitzeitraums gezahlt wurde, erfolgt die Berücksichtigung der Rentennachzahlung als Einkommen bei der nachträglichen Bedarfsermittlung aus dem Rechtgedanken des § 40 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 48 Abs 1 S 3 SGB 10. Demnach gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 S 3 SGB 10 der Beginn des Anrechnungszeitraums. Die Abweichung vom Zuflussprinzip ist hier geboten, um den Doppelbezug von Sozialleistungen zu verhindern.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2016 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 01.01.2015 bis 31.12.2015. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Zahlungen aus einer Restschuldversicherung als Einkommen anzurechnen sind und eine Rentennachzahlung einem Anspruch entgegensteht.
Die am 00.00.1967 geborene Klägerin 1), ihr am 00.00.1965 geborener Ehemann und der am 00.00.2007 geborene gemeinsame Sohn, der Kläger zu 2), lebten im streitigen Zeitraum in einem Haushalt. Für die von ihnen bewohnte Wohnung fielen monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v insgesamt 684 EUR an. Die Klägerin zu 1) bezog im streitigen Zeitraum ein monatliches Erwerbseinkommen i.H.v 1.564,13 EUR brutto (911,01 EUR netto). Für den Kläger zu 2) wurde Kindergeld i.H.v 184 EUR monatlich gezahlt.
Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann schlossen am 07.06.2011 einen Kreditvertrag mit der U-Bank über einen Gesamtkreditbetrag von 44.645,59 EUR. Die Rückzahlung sollte in 84 Monatsraten (83 Monatsraten zu je 767,70 EUR, letzte Rate 708,84 EUR) erfolgen. Der Einzug der Raten erfolgte über ein Lastschriftverfahren zum 15. eines jeden Monats. Zur Absicherung ihrer Rückzahlungsverpflichtungen schloss der Ehemann der Klägerin zu 1) gleichzeitig mit der U-Versicherung eine Restschuldversicherung mit den Risiken Tod, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit ab. Im Fall der Arbeitslosigkeit sah der Vertrag eine Bezahlung der Kreditraten aus der Versicherung für 12 Monate i.H.v 766,99 EUR vor. Der Beitrag für die Restschuldversicherung i.H.v 10.667,48 EUR wurde der Kreditsumme hinzugerechnet, so dass die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann zuzüglich Zinsen und Gebühren für eine Nettokreditsumme von 33.978,11 EUR insgesamt 64.427,94 EUR aufzubringen hatten. Der Restschuldversicherungsbeitrag wurde bei der Bestimmung der Ratenhöhen berücksichtigt. Nach den "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Arbeitslosigkeitsversicherung gegen Einmalbetrag" der U-Versicherung sind der Abschluss und der Fortbestand der Arbeitslosigkeitsversicherung nur zusammen mit dem gleichzeitig bei der U-Bank vereinbarten Kreditvertrag möglich (§ 1). Wird die versicherte Person während der Dauer der Versicherung arbeitslos, zahlt die U-Versicherung monatlich die versicherte Rate zugunsten des versicherten Kreditkontos an die U-Bank (§ 6).
Der Ehemann der Klägerin zu 1) wurde während der Kreditlaufzeit arbeitslos. Daher zahlte die U-Versicherung im Jahr 2015 die Kreditrate i.H.v 766,99 EUR an die U-Bank. Da gleichzeitig der Lastschrifteinzug der Kreditraten i.H.v 767,70 EUR fortgesetzt worden war, wurde der Betrag i.H.v 766,99 EUR dem Konto der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes wieder gutgeschrieben.
Der Beklagte bewilligte den Klägern und dem Ehemann der Klägerin zu 1) aufgrund ihres Antrags vom 29.01.2015 mit Bescheid vom 30.01.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) vom 01.01.2015 bis 31.12.2015 i.H.v jeweils 66,83 EUR monatlich für die Klägerin zu 1) und ihren Ehemann und 35,35 EUR für den Kläger zu 2). Auf den errechneten monatlichen Gesamtbedarf von 1.671 EUR rechnete der Beklagte das bereinigte Einkommen der Klägerin zu 1) i.H.v 581,00 EUR, für den Kläger zu 2) das Kindergeld i.H.v 184 EUR und die an die Eheleute wegen der Restschuldversicherung gezahlte Gutschrift i.H.v 736,99 (766,99 EUR - 30 EUR Versicherungspausche) bedarfsmindernd an.
Hiergegen legten die Kläger - vertreten durch einen Prozessbevollmächtigten - ausdrücklich im Namen und in Vollmacht "der Bedarfsgemeinschaft" am 20.02.2015 Widerspruch ein. Auf Aufforderung durch den Beklagten legten sie eine Vollmacht "in Sachen C M-C + Bedarfsgemeinschaft" - vor. Die Kläger begehrten Leistungen ohne Berücksichtigung der Zahlungen der U-Vers...