Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Versicherungszeiten eines Vertriebenen nach dem Fremdrentengesetz
Orientierungssatz
1. Die Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Antragsteller zu dem vom FRG begünstigten Personenkreis gehört. Das FRG findet gemäß § 1 FRG u. a. Anwendung auf Vertriebene i. S. des § 1 BVFG oder Spätaussiedler gemäß § 4 BVFG, die als solche in der BRD anerkannt sind.
2. Hat der Betroffene einen Aufnahmebescheid nach § 26 BVFG erhalten und erfüllt er die Voraussetzungen des § 4 BVFG, so ist dessen Spätaussiedlereigenschaft bestandskräftig anerkannt.
3. Vertriebener ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1.1.1993 die ehemalige Sowjetunion verlassen hat, es sei denn, dass er, ohne aus diesem Gebiet vertrieben und bis zum 31.3.1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8.5.1945 seinen Wohnsitz in diesem Gebiet begründet hat. Für einen deutschen Volkszugehörigen, der die ehemalige Sowjetunion nach dem 31.12.1992 verlassen hat, ist dagegen ausschließlich der Status des Spätaussiedlers nach § 4 BVFG vorgesehen.
4. Ob und welche Versicherungszeiten für Vertriebene festzustellen sind, richtet sich nach den §§ 15 und 16 FRG. Mit Rücksicht auf die Vertriebeneneigenschaft sind nur diejenigen Versicherungszeiten zu Grunde zu legen, die vor der Vertreibung zurückgelegt wurden. Mit dem Ende der Vertreibung bleibt der Betroffene zwar Vertriebener, aber der durch das Vertriebenenschicksal erlittene rentenversicherungsrechtliche Nachteil kann sich nicht mehr vergrößern.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Der Kläger wurde 1938 als Sohn deutscher Volkszugehöriger in der ehemaligen Sowjetunion (heute: Ukraine) geboren. Während des zweiten Weltkrieges wurde er von seinem Heimatort in das von Deutschland besetzte Polen (Reichsgau Wartheland) umgesiedelt, wo er im Juli 1944 eingebürgert wurde. Im Jahre 1945 brachten ihn russische Truppen nach Kasachstan ("Repatriierung"), wo er bis Januar 1956 unter Kommandanturaufsicht stand.
Den Hauptteil seines Erwerbslebens verbrachte der Kläger in Kasachstan. Dort besuchte er bis 1958 die Mittelschule und war nach Abschluss seiner Ausbildung zum Kraftfahrer bis 1959 in diesem Beruf als leitender Mitarbeiter (Dispatcher) in einem Fuhrpark tätig. Von 1959 bis 1962 absolvierte er in der Abendschule ein Bergbautechnikum (Fachschule) der Fachrichtung "Untertage - Gewinnung von Kohlevorkommen", das er mit der Qualifikation zum Bergtechniker abschloss. Vom 1963 bis 1968 studierte er an einer volkswirtschaftlichen Hochschule, Fachrichtung "Planung der Industrie", die er als diplomierter Ökonom beendete. Vom 1961 bis 1962 war er als Energetiker, Haupttechnikerhelfer und Elektroschlosser tätig, in dieser Zeit absolvierte er zugleich ein Praktikum im Bergbau. Von 1962 bis 1969 war der Kläger als Meister der Untertagebauschicht, von 1969 bis 1973 als Vorgesetzter der Lohnarbeitsabteilung der Bauverwaltung, von 1973 bis 1976 als Abschnittsbergnormer, von 1976 bis 1985 als Vorgesetzter der Lohnarbeitsabteilung und von 1985 bis 1993 als Hauptbuchhalter tätig. Ab dem 8.8.1988 bezog er nebenher eine russische Altersrente wegen Berufsunfähigkeit.
Auf den Ausreiseantrag des Klägers erteilte das Bundesverwaltungsamt ihm am 09.10.1992 einen Aufnahmebescheid nach § 26 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung (im Folgenden: BVFG aF). Zusammen mit seiner russischen Ehefrau reiste der Kläger am 18.2.1993 nach Deutschland ein. Die Stadt L stellte ihm (unter dem 07.07.1993) eine Spätaussiedlerbescheinigung (gemäß § 15 Abs 1 BVFG in der neuen, ab 01.01.1993 geltenden Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 22.12.1992) und seiner Ehefrau eine Bescheinigung als (fremdländischer) Ehegatte eines Spätaussiedlers aus.
Ab dem 01.04.1993 bezog der Kläger (nach mehreren Klageverfahren) Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Aufgabe der knappschaftlichen Beschäftigung (Bescheide vom 06.12.1996, 14.03.1997, 18.09.1997 und 13.10.1998). Anstellte dieser Rente gewährte die Beklagte ihm ab dem 01.09.1998 Altersrente für Schwerbehinderte (Bescheid vom 14.04.1999); dabei berücksichtigte sie - wie in allen vorangegangenen Bescheiden - die Zeiten vom 08.08. - 09.11.1988 und vom 12.02.1989 - 10.01.1993 als (Pflicht-)Beitragszeiten.
Im März 2002 beantragte der Kläger bei der Stadt L unter Hinweis auf seine Umsiedlung während des zweiten Weltkrieges und seine nachfolgende Verschleppung in die ehemalige Sowjetunion die Anerkennung als Umsiedler und Aussiedler nach dem BVFG aF. Die Stadt L lehnte den Antrag ab: Eine An...