Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens
Orientierungssatz
Der Vertragsbezeichnung, die den tatsächlichen Umständen eines Vertragsverhältnisses zuzurechnen ist, kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn sie dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und sie durch weitere Aspekte gestützt wird (hier: Dienstvertrag über freie Mitarbeit ≪"Freelance"≫ eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens) (vgl BSG vom 13.7.1978 - 12 RK 14/78 = SozR 2200 § 1227 Nr 17).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07. November 2004 wird zurückgewiesen.. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird im Anschluss an die Entscheidung des Sozialgerichts (für die erste Instanz) mit 4.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Umstritten ist in dem Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), ob die Tätigkeit der Beigeladenen zu 4., Q U, und zu 10., P H, ab dem Jahre 2000 als Flugzeugführer im Flugbetrieb des Luftfahrtunternehmens der Klägerin ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Bezüglich der übrigen elf beigeladenen Piloten haben die Beteiligten vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) Unterwerfungsvergleiche geschlossen.
Die Klägerin, ein Luftfahrtunternehmen im Familienbesitz, befasst sich mit der europaweiten Beförderung von Personen und Gegenständen per Flugzeug. Dazu greift die Klägerin auf insgesamt elf Flugzeuge zurück, die sich zum Teil in ihrem Eigentum befinden; zum anderen Teil handelt es sich um Flugzeuge, bei denen der Klägerin die Halterschaft übertragen worden ist, d. h. die sie für verschiedene Aufträge nutzt, ohne Eigentümer dieser Flugzeuge zu sein. Zum Betreiben der Firma bedarf es einer Genehmigung für Luftbeförderung durch das Luftfahrtbundesamt, die vorliegt. Die Klägerin führt keine Linien-, sondern Charterflüge durch, häufig in Form von im Einzelnen mit dem jeweiligen Kunden abgesprochenen Einzelaufträgen. Es handelt sich zum Teil um Flüge, die tage- oder wochenlang im Voraus geplant werden können, aber auch um solche, die innerhalb kürzester Zeit vollzogen werden müssen. Dies ist beispielsweise bei den Ambulanzflügen der Fall, bei denen zu transplantierende Organe einschließlich begleitendem Ärzte-Team per Flugzeug zu transportieren sind. Es werden Flugzeuge unterschiedlicher Typen eingesetzt. Die Piloten müssen nicht nur einen (generellen) Flugschein besitzen, sondern zusätzlich über die Erlaubnis verfügen, gerade den jeweils eingesetzten Flugzeugtyp fliegen zu dürfen. Die Flugzeuge der Klägerin können von zwei Passagieren bis zu acht bzw. neun Passagiere befördern. In der Regel werden zwei bis drei Passagiere transportiert. Es handelt durchgehend um ein Angebot im High-Class-Bereich, d. h. die Klägerin bietet hohen Komfort für die Passagiere, so dass beispielsweise auch bei einer geringen Passagierzahl ein größeres Flugzeug eingesetzt wird. Der Klägerin obliegt das Akquirieren von Aufträgen sowie deren komplette Organisation, d. h. die Frage, wann welcher Flug von welchem Flughafen aus zu welchem Zielort gehen soll und zu welchem Preis ein solcher Flug angeboten werden kann, einschließlich Rechnungslegung und Realisieren der Forderung. Im Durchschnitt beschäftigt die Klägerin acht Vollzeitpiloten sowie zusätzlich zwei Piloten in Teilzeit in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen. Daneben existiert ein Pool von ca. bis zu 15 sog. Freelancern, auf die die Klägerin in den Spitzenzeiten, beispielsweise bei Urlauben mehrerer Festangestellter, zurückgreift. Zu diesem Pool gehören auch die Beigeladenen zu 4. und 10., U und H, sowie die weiteren elf Piloten (frühere Beigeladene zu 1. bis 3., 5. bis 9. und 11. bis 13.).
Die Kosten, wie Flugbenzin, Gebühren usw., des Fluges trägt die Klägerin. Dies ist zum Teil steuerlich geboten, weil beispielsweise nur gewerbliche Luftfahrtunternehmer von der Mineralölsteuerpflicht befreit sind. Zum Teil sind dies aber auch behördliche Vorgaben, die sich gar nicht anders regeln ließen, d. h. die Klägerin wäre gar nicht befugt, bestimmte Auflagen beispielsweise an freiberufliche Piloten weiterzugeben.
Wenn ein bestimmter Auftrag nach Verhandlungen mit dem Kunden feststeht, übernimmt es das Büro der Klägerin, die entsprechende Besatzung zusammenzustellen. Dabei wird zunächst auf die eigenen Angestellten zurückgegriffen. Sind diese anderweitig eingesetzt oder stehen sie aus sonstigen Gründen nicht zur Verfügung, so tritt der Pool der sog. freiberuflichen Piloten ein. Mit den einzelnen Beigeladenen hat die Klägerin Rahmenverträge, sog. "Dienstverträge über freie Mitarbeit (Freelance) eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines ...