Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Unterhaltszahlungen. Anspruchsübergang auf Grundsicherungsträger nach verspäteter Zahlung. keine Absetzung der Versicherungspauschale. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Absetzung einer Versicherungspauschale gem § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2 iVm § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV findet nach dem ausdrücklichen und nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut der Vorschriften sowie der dieser zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlage des § 13 Nr 3 SGB 2 nur dann Anwendung, wenn Einkommen erzielt wird. Fließen Unterhaltszahlungen nicht mehr zu, weil der Unterhaltsanspruch gem § 33 SGB 2 auf den Grundsicherungsträger übergegangen ist, kann keine Versicherungspauschale abgesetzt werden.
2. Dieses Ergebnis kann weder durch richterliche Rechtsfortbildung im Rahmen einer analogen Anwendung der AlgIIV noch durch eine über den Wortlaut hinausgehende verfassungskonforme Auslegung des § 11 SGB 2 iVm der AlgIIV korrigiert werden. Die Nichtberücksichtigung der Versicherungspauschale verletzt weder Art 3 Abs 1 GG noch Art 20 Abs 1 GG.
3. Durch laufende Zahlung erfüllt iS des § 33 Abs 2 S 2 SGB 2 wird ein Unterhaltsanspruch nur, wenn die Unterhaltszahlung bis zum dritten Werktag des Monats erfolgt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.02.2010 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeldes II nach dem Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.2007. Konkret ist umstritten, ob die Versicherungspauschale bei der unterhaltsberechtigten Klägerin leistungserhöhend wirkt.
Die Klägerin bezieht gemeinsam mit ihren beiden Kindern Leistungen nach dem SGB II. Sie hat einen titulierten Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann über 550 Euro monatlich, der im Voraus bis zum 03. eines jeden Monats zu zahlen ist (Urteil des Amtsgerichts O vom 29.05.2002). Dieser Verpflichtung kam der geschiedene Ehemann zwar laufend und vollständig nach, allerdings erfolgten die Zahlungen in einem Zeitfenster von Monatsanfang bis Monatsmitte. Der Unterhalt wurde vom Beklagten zunächst als eigenes Einkommen der Klägerin abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro berücksichtigt. Wegen der Unregelmäßigkeit der Unterhaltszahlungen gewährte er der Klägerin verschiedentlich Leistungen ohne Unterhaltsanrechnung, musste dann nach Eingang der Zahlungen die zwischenzeitlichen (Änderungs-)Bescheide wieder korrigieren. Im September 2007 teilte der Beklagte dem geschiedenen Ehemann der Klägerin mit, dass die Unterhaltszahlungen nunmehr an ihn zu erfolgen hätten, weil der Unterhaltsanspruch übergegangen sei. Dem kam der geschiedene Ehemann der Klägerin im Folgezeitraum nach.
Mit Bescheid vom 02.08.2007 änderte der Beklagte frühere Leistungsbescheide vom 26.06.2007 und 17.07.2007 ab. Er gewährte der Klägerin und ihren Kindern für den Zeitraum von September bis Dezember 2007 nunmehr Leistungen ohne Anrechnung von Unterhalt. Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs ließ er die Versicherungspauschale außer Betracht. Den Widerspruch, der sich gegen die Nichtberücksichtigung der Pauschale richtete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 zurück.
Die Klägerin hat am 17.01.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und beantragt, ihr ab September 2007 eigenes Einkommen in Form von Unterhalt zuzurechnen und dabei eine Einkommensbereinigung in Höhe von 30,00 Euro Versicherungspauschale vorzunehmen.
Angesichts regelmäßiger Zahlungen des geschiedenen Ehemannes der Klägerin hat der Beklagte zugestimmt, dass der Unterhalt ab dem 01.08.2008 wieder direkt an die Klägerin gezahlt wird. Entsprechend hat er Grundsicherungsleistungen wieder unter Berücksichtigung des Unterhalts als Einkommen unter Abzug der Versicherungspauschale berechnet.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 09.02.2010 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für die Zeit von September bis Dezember 2007 weitere 30,00 Euro monatlich zu gewähren. Zwar sei der Anspruch gegen den geschiedenen Ehemann im streitigen Zeitraum zu Recht gem. § 33 SGB II auf den Beklagten übergegangen, so dass die Klägerin kein Einkommen erzielt habe. Es sei aber geboten, die § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II iVm § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der Fassung vom 20.10.1994, BGBl I S. 2622, Geltungsdauer: 01.01.2005 bis 31.12.2007) analog anzuwenden. Es liege eine Regelungslücke vor, da das SGB II nicht auch die Anwendung der Einkommensanrechnungsvorschriften für nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangene Ansprüche vorsehe. Es handele sich auch um eine planwidrige L...