Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Feststellung des Einkommens. Bemessungsgrundlage. Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Nichtberücksichtigung von steuerfreien Beiträgen zur Altersvorsorge. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Bei der Berechnung des Elterngeldes sind steuerfreie Einnahmen (hier: steuerfreie Zahlungen des Arbeitgebers an die Pensionskasse) nicht zu berücksichtigen.
2. § 2 Abs 1 S 1 und Abs 7 BEEG meinen mit dem Begriff Einkommen aus Erwerbstätigkeit nur das steuerpflichtige Bruttoeinkommen. Einnahmen iS von § 2 Abs 7 S 1 BEEG sind daher von vornherein nur solche, die der Steuerpflicht unterliegen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 08.04.2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine steuerfreie Einnahme (Arbeitgeberzuschuss zu einer Pensionskasse) elterngeldsteigernd zu berücksichtigten ist.
Die verheiratete Klägerin ist Mutter von drei Kindern. Vor der Geburt des jüngsten Kindes am 00.00.2007 war sie berufstätig und erzielte Einkünfte aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit. In der Zeit vom 15.11.2006 bis 26.02.2007 erhielt sie Mutterschaftsgeld und einen Zuschuss des Arbeitgebers. Von November 2005 bis Juli 2006 belief sich der Gesamtbruttoverdienst der Klägerin ausweislich der monatlichen Entgeltabrechnungen ihres Arbeitgebers monatlich auf 1.506,55 Euro. Steuerpflichtig waren davon jedoch nur 1.356,55 Euro. Ab August 2006 bis Oktober 2006 verdiente die Klägerin brutto 1.101,59 Euro, davon waren 951,59 Euro steuerpflichtig. Die Differenz zwischen Gesamtbrutto- und steuerpflichtigem Bruttoverdienst ergab sich daraus, dass der Arbeitgeber der Klägerin von ihrem Gesamtbruttoverdienst jeden Monat 150,00 Euro einbehielt und steuer- und abgabenfrei (§ 3 Nr. 63 Einkommenssteuergesetz - EStG -) an eine Pensionskasse abführte. Grundlage bildete eine Vereinbarung über die Umwandlung von Arbeitsentgelt in Versicherungsschutz (Barlohnverzicht). In der Zeit, in der der Arbeitgeber der Klägerin kein Entgelt zahlte, entrichtete sie diese Beiträge freiwillig selbst.
Am 05.03.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des am 01.01.2007 geborenen Kindes, das ihr das Versorgungsamt B mit Bescheid vom 08.03.2007 unter Anrechnung des Mutterschaftsgelds und unter Einbeziehung eines Geschwisterbonus von 75 Euro auch in Höhe von 725,78 Euro bewilligte. Dabei legte das Versorgungsamt der Berechnung des monatlichen Elterngeldes jedoch jeweils nur den steuerpflichtigen, nicht den gesamten Bruttoverdienst zugrunde. Die Zahlungen an die Pensionskasse blieben daher unberücksichtigt.
Mit ihrem rechtzeitig eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Berechnung des Elterngeldes müsse vom jeweiligen monatlichen Gesamtbruttoverdienst ausgehen und daher auch die Zahlungen ihres Arbeitgebers an die Pensionskasse berücksichtigen.
Die Bezirksregierung wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15.06.2007 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 16.07.2007 rechtzeitig Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, vermindert um die gesetzlichen Abzüge. Der Gesetzgeber habe bestimmte (steuerpflichtige) Bezüge nicht als für die Berechnung des Elterngeldes heranzuziehendes Einkommen angesehen. Im Umkehrschluss sei jedoch jegliches sonstiges laufendes Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit berücksichtigungsfähig. Auch die vom Gesetz für maßgeblich bezeichneten Arbeitgeber-Verdienstbescheinigungen wiesen das monatliche Gesamtbruttoeinkommen aus. Es sei sicherlich nicht gesetzgeberische Absicht gewesen, Arbeitnehmer, die im Rahmen einer Gehaltsumwandlung in eine Pensionskasse einzahlten, im Rahmen des Elterngeldes zu benachteiligen. Unstreitig zähle auch der in die Pensionskasse eingezahlte Betrag zum monatlichen Einkommen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes B vom 08.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 15.06.2007 zu verurteilen, ihr weiteres Elterngeld für die Monate Februar bis Dezember 2007 von monatlich 61,05 Euro, insgesamt 671,55 Euro nachzuzahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar folge aus dem Gesetzestext des § 2 Abs. 7 BEEG wörtlich nicht eindeutig, ob das Gesamtbruttoeinkommen oder das steuerpflichtige Bruttoeinkommen heranzuziehen seien. Dies ergebe sich allerdings aus den von der Bezirksregierung Münster mit Verfügung vom 29.12.2006 übermittelten Richtlinien zur Durchführung des BEEG. In allen Lohn- und Gehaltsabrechnungen würden Steuern und Sozialabgaben vom steuerpflichtigen Bruttoeinkommen ermittelt und nich...