Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuerkennung der Pflegestufe II. Teilnahme an einer klinischen Studie

 

Orientierungssatz

Die Begleitung eines Pflegebedürftigen zur Teilnahme an einer klinischen Studie (hier: Enzymersatztherapie) ist nicht pflegestufenrelevant zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.09.2008; Aktenzeichen B 3 P 5/07 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.09.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht die Zuerkennung der Pflegestufe II für die Zeit vom 02.12.2003 bis 31.12.2006. Insbesondere geht es darum, ob die Begleitung des Klägers zur Teilnahme an einer klinischen Studie "Enzymersatztherapie" pflegestufenrelevant im Rahmen der Mobilität zu berücksichtigen ist.

Der am 00.00.1985 geborene Kläger, dessen Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) 100 beträgt (zuerkannte Merkzeichen "aG", "B" und "H"), leidet an einer angeborenen Enzymmangelerkrankung (Mukopolysaccharidose Typ II, Morbus Hunter ohne Beteiligung des Nervensystems). Er wohnt in D bei seinen Eltern und besucht eine Schule in F, die er mit einem Schultaxi erreicht.

Ab dem 08.12.2003 nahm er an einer durch die Kinder- und Kinderpoliklinik des K Universitätsklinikum N (Uniklinik N) durchgeführten klinischen Forschungsstudie des Medikamentes Idursulfase teil. Die pharmakologische Wirkung des Medikaments Idursulfase wurde in der Phase II für ein Jahr als sog. Doppelblindstudie geprüft. Nach den Erkenntnissen aus der späteren "Entblindung" der Phase II ist der Kläger hier bereits mit dem Medikament Idursulfase behandelt worden. Ab der Phase III, die bis Juni 2005 weiterhin in N und danach bis Ende 2006 an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektbiologie des Universitätsklinikums E (Uniklinik E) stattfand, erhielt der Kläger weiter das Medikament Idursulfase.

Der Kläger wurde von seiner Mutter zur Teilnahme an der Studie einmal in der Woche mit dem PKW nach N und ab Juni 2005 nach E gefahren. Die Behandlung dauerte jeweils etwa fünf Stunden einschließlich der notwendigen Ruhezeit. Anfang 2007 ist die Studie erfolgreich beendet worden. Dem Medikament Idursulfase ist unter der Bezeichnung Elaprase am 24.07.2006 in den USA und am 11.02.2007 durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA die Zulassung erteilt worden.

Der Kläger beantragte am 27.11.2003 die Zahlung von Pflegegeld. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MdK) Westfalen Lippe in E1 ein, das die Pflegefachkraft Frau E nach Begutachtung in der häuslichen Umgebung am 13.04.2004 erstellte. In der Grundpflege ermittelte sie einen Pflegebedarf von 89 Minuten (Körperpflege 49 Min, Ernährung 13 Min, Mobilität 27 Min) sowie in der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf im Durchschnitt von 45 Minuten. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.03.2004 ab 01.11.2003 Pflegegeld nach Stufe I.

Mit seinem Widerspruch führte der Kläger an, für die Hautbehandlung seien täglich weitere 25 Minuten zu berücksichtigen. Zudem nehme er zwei bis dreimal in der Woche ein Ölbad und besuche ein Thermalbad. Zweimal in der Woche erhalte er Krankengymnastik. Hier benötige er Hilfe beim An- und Auskleiden. Zudem müsse der Zeitaufwand für die Therapie in N berücksichtigt werden.

Der Beklagte ließ das Gutachten von Frau E in einem weiteren Gutachten nach Aktenlage durch Dr. S überprüfen. Die Sachverständige stimmte deren Feststellungen im Gutachten vom 13.03.2004 zu. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 20.08.2004 zurück.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger auf das unter dem Az. S 25 SB 87/02, SG Gelsenkirchen geführte Schwerbehindertenverfahren hingewiesen, in dem der dort gehörte Sachverständige Dr. N für das tägliche An- und Auskleiden einen höheren Zeitaufwand berücksichtigt habe. Auch der Hilfebedarf für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung sei höher anzusetzen. Zudem werde jede Woche ein Arzt aufgesucht. Auch der Zeitaufwand für die Begleitung zur Forschungsstudie nach N sei zu berücksichtigen.

Das SG hat Befundberichte eingeholt von der behandelnden Chefärztin der W Kinder- und Jugendklinik E, Frau Prof. A (Bericht vom23.11.2004), des Arztes Dr. L (Bericht vom 07.12.2004), des Oberarztes der Kinder und Kinderpoliklinik des K Universitätsklinikum N Prof. Dr. C (Bericht vom 23.12.2004) sowie des Orthopäden und Rheumatologen Dr. N1 (Bericht vom 22.02.2005).

Im Weiteren hat das SG zum Hilfebedarf Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für innere Medizin und Sozialmedizin / Chirotherapie Dr. P (Gutachten vom 13.05.2005). Dieser hat in der Grundpflege einen Hilfebedarf von 99 Minuten (Körperpflege 67 Minuten, Zubereitung der Nahrung 6 Minuten, Mobilität 26 Minuten) und in der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von 45 Minuten festgestellt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage ...

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