Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Entziehung von Verletztengeld
Orientierungssatz
1. Nach § 46 Abs. 3 S. 2 SGB 7 endet das Verletztengeld, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und berufsfördernde Leistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind.
2. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit i. S. des § 46 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 SGB 7 ist nicht zu rechnen, wenn der Versicherte infolge seiner Gesundheitsstörung aller Voraussicht nach für 78 Wochen seine bisherige oder eine ihm verweisbare Tätigkeit nicht mehr aufnehmen kann und er mittels Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht mehr in das Erwerbsleben eingegliedert werden kann, Alt. 2.
3. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn der Versicherte fast drei Jahre an einer Wiedereingliederung teilgenommen hat, ohne jemals volle Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.10.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 04.03.2010 gewährten Verletztengeldes.
Der am 00.00.1968 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur und war zuletzt bei der Firma P Antriebstechnik als Projektleiter im Bereich Konstruktion und Entwicklung tätig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitsplatzbeschreibungen vom 20.04.2012 und 21.09.2012 (Bl. 1004 und 1192 ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Er erlitt am 04.03.2010 einen von der Beklagten anerkannten Impfschaden in Form eines Guillain-Barre-Syndroms (GBS) durch eine betrieblich erforderliche Impfung. Nach einem auch stationären Heilverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. I, Uniklinik X (Gutachten vom 16.06.2010), und durch Dr. I1, Praxis für Impfstoffsicherheit, X1 (Gutachten vom 06.10.2010), begutachten. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass das GBS durch die Impfungen entstanden sei. Prof. Dr. Dr. I nahm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. an.
Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie von einem Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem GBS ausgehe, ihre Zuständigkeit grundsätzlich anerkennende, entsprechende Kosten übernehme und die Krankenversicherung angewiesen habe, Verletztengeld zu leisten. Die Feststellung einer Verletztenrente könne allerdings erst nach Wegfall des Verletztengeldes vorgenommen werden.
Ab August 2010 erfolgte eine Arbeits- und Belastungserprobung, anfangs mit einer täglich zweistündigen Belastung, die schrittweise bis Juli 2011 auf fünf Stunden erhöht wurde. Ab November 2011 wurde die Belastung auf vier Stunden täglich gesenkt. Dieser Prozess wurde von dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. Q begleitet. In den Wiedereingliederungsplänen gab Dr. Q jeweils an, der Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit sei z. Zt. nicht absehbar. Ab dem 17.05.2013 wurde der Kläger von Dr. Q wegen des GBS als vollständig arbeitsunfähig angesehen. Die Arbeits- und Belastungserprobung wurde ausgesetzt. Wegen des Behandlungsverlaufs bei Dr. Q wird auf den Arztbericht vom 21.06.2013 (Bl. 1655 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte ließ den Kläger in der neurologischen Klinik und Poliklinik C von Professor Dr. U am 19.7.2011 untersuchen und gewährte ihm eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik, I2, ab dem 31.08.2011. Am 21.09.2011 brach der Kläger die Maßnahme ab. Gegenüber dem zuständigen Berufshelfer der Beklagten gab der Kläger an, dass es im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme zu einer Verschlechterung des Leidens gekommen sei und er deshalb die Maßnahme abgebrochen habe. Zudem teilte der Kläger mit, dass die Arbeits- und Belastungserprobung bis zu 4 Stunden überwiegend gut verlaufen sei. Ab 5 Stunden sei die Belastung grenzwertig (Berufshelferbericht vom 13.10.2011).
Mit Bescheid vom 17.10.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger weiterhin Verletztengeld, wobei sie ausführte, dass nach aktueller Einschätzung die medizinische Rehabilitation nach weiteren Behandlungsmaßnahmen in Form von Arbeitstherapie und Belastungserprobung voraussichtlich mit Arbeitsfähigkeit abgeschlossen werden könne.
Am 26.06.2012 stellte sich der Kläger erneut bei Prof. Dr. U vor, welcher eine stationäre Aufnahme zur Abklärung des weiteren Heilverfahrens und Klärung der Arbeitsfähigkeit empfahl, zu der es aber wegen Vorbehalten des Klägers nicht kam.
Die Beklagte ließ den Kläger durch die von diesem benannten Ärzte Dr. B und Prof. Dr. H untersuchen und begutachten. Der Unfallchirurg und Sozialmediziner Dr. B kam in seinem Gutachten vom 21.11.2012 zu dem Ergebnis, dass mit einer Besserung des Leistungsvermögens zu rechnen sei. Die Frage nach einer konkreten beruflichen Rehabilitation ließ er offen. In seinem Gutachten vom 12.02.2013 gelangte Prof. Dr. H, Neurologische Klinik in C, nach...