Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen Vergütungsansprüche des Krankenhauses. Aufrechnungsverbot im Landesvertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5. kein Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Orientierungssatz

Das im nordrhein-westfälischen "Vertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" vereinbarte Aufrechnungsverbot (§ 15 Abs 4) verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.11.2020 hinsichtlich des Zinsanspruchs geändert. Die Beklagte wird insoweit verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 26.177,01 EUR ab dem 25.11.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 26.177,01 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Das nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin behandelte den bei der Beklagten versicherten R (im Folgenden: Versicherter) in der Zeit vom 03.04.2014 bis zu dessen Tod am 04.05.2014 stationär und berechnete ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2014 ≪DRG≫) A09C (Beatmung ≫ 499 Stunden oder ≫ 249 Stunden mit intensivmedizinischer Komplexbehandlung ≫ 2352 / 2208 Aufwandspunkte, mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma oder int. Komplexbeh. ≫ 2352 / 2208 P. oder kompliz. Konstellation oder Alter ≪ 16 Jahre) 65.642,76 EUR (Rechnung vom 12.06.2014). Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst vollständig. Anlässlich einer im Januar 2017 durchgeführten Begehung im Krankenhaus der Klägerin stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) fest, dass die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-980.50 dort nicht erfüllt seien. Die Beklagte zweifelte sodann die Kodierung des OPS 8-980.50 im Behandlungsfall des Versicherten an und verrechnete am 17.11.2017 einen Betrag von 26.177,01 EUR gegen eine andere Forderung der Klägerin (Rechnung Nr. 01 vom 09.11.2017, Aufnahmenummer 02) gemäß entsprechend übersandter Zahlungsmitteilung. Diese weist unter der Behandlungsfallnummer des Versicherten einen entsprechenden negativen Betrag aus.

Am 05.12.2018 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Die Aufrechnung der Beklagten sei unzulässig. Dies ergebe sich aus dem landesvertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 des nordrhein-westfälischen Sicherstellungsvertrages (im Folgenden: SVTr). Es liege keine Beanstandung rechnerischer Art vor. Die Beklagte bezweifle vielmehr die Richtigkeit der Abrechnung der Behandlung des Versicherten, greife also die sachliche Berechnung der Höhe nach an. Das Strukturgutachten vom 19.06.2017 beziehe sich auf das Jahr 2016 und treffe gerade keine Aussage darüber, ob die erforderlichen Strukturmerkmale des OPS 8-980 im vorliegenden Behandlungsfall erfüllt gewesen seien. Im Übrigen könnten Erkenntnisse aus einer Prüfung nicht auf andere Einzelfälle übertragen werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.177,01 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die mit der Klage verfolgte Vergütung sei durch Erfüllung erloschen. Die Aufrechnung sei zu Recht erfolgt. Der Beklagten habe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zugestanden. Der MDK habe im Rahmen der Begehung am 30.01.2017 festgestellt, dass das Krankenhaus der Klägerin die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-980.50 zumindest bis zum 19.06.2017 nicht erfüllt habe. Die entsprechende Prozedur sei daher aus der Abrechnung der Klägerin gestrichen worden. Hieraus resultiere eine Änderung der abgerechneten DRG A09C zu A11F. Das von der Klägerin vorgetragene Aufrechnungsverbot greife vorliegend nicht, weil der Klägerin positiv bekannt gewesen sei, dass die Mindestmerkmale des OPS 8-980 nicht erfüllt würden. Gleichwohl habe sie diesen gegenüber der Beklagten abgerechnet. Die Abrechnung beruhe daher auf von der Klägerin zu vertretenden unzutreffenden Angaben i.S.d. § 15 Abs. 4 SVTr.

Mit Urteil vom 17.11.2020 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 26.177,01 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2017 zu zahlen. Die Aufrechnung sei unwirksam, weil sie gegen das landesvertragliche Aufrechnungsverbot verstoße. Die Nichtigkeit dieses Aufrechnungsverbotes ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des BSG vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R. Das BSG habe nur entschieden, dass ein etwaiges Aufrechnungsverbot im Anwendungsbereich der PrüfvV nichtig sei. Vorliegend sei der zeitliche Anwendungsbereich der Prüf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?