Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Rückausgleich. keine Anwendung der Vierjahresfrist
Orientierungssatz
§ 4 Abs 1 VersorgAusglHärteG konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot eines wirtschaftlich vollständigen Rückausgleichs ohne zeitliche Einschränkung. Der Ausgleichsanspruch ist aufgrund der Verluste im gesamten Zeitraum vorzunehmen, in dem wegen des Versorgungsausgleichs eine niedrigere Rente zu zahlen war. Ansonsten verbliebe eine verfassungswidrige Härte (Anschluss an BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua = BVerfGE 53, 257 = SozR 7610 § 1587 Nr 1).
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, den Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) für die Vergangenheit nach Maßgabe der §§ 48 Abs. 4, 44 Abs. 4 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) zu beschränken.
Die Ehe des ... 1940 geborenen Klägers wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Köln ... 1982 geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden von dem Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau "Rentenanwartschaften" aus der Ehezeit vom 01.11.1969 bis zum 30.09.1981 in Höhe von monatlich 163,60 DM übertragen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08.01.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.12.1996. Den monatlichen Wert der Rente stellte sie mit 1.945,25 DM fest. Dabei berücksichtigte sie die rentenversicherungsrechtlichen Folgen des durchgeführten Versorgungsausgleichs durch entsprechende Kürzung der Entgeltpunkte wegen der übertragenen Rentenanwartschaften um 5,7085 Entgeltpunkte. Seit dem 01.09.2005 bezieht der Kläger Regelaltersrente.
Die geschiedene Ehefrau des Klägers starb ... 2003. Sie bezog vom 01.09.2002 bis zum 28.02.2003 Rente wegen Erwerbsminderung und insgesamt Leistungen in Höhe von 4.919,50 Euro. Die Höhe der Rentenleistung aus der übertragenen Rentenanwartschaft betrug insgesamt 892,75 Euro und überschritt nicht den von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute Deutsche Rentenversicherung Bund) ermittelten Grenzbetrag in Höhe von 3.582,88 Euro.
Am 17.11.2003 beantragte der Kläger die ungekürzte Auszahlung seiner Rente ab 01.12.1996, da seines Wissens nach seine geschiedene Ehefrau keine Leistungen aufgrund der übertragenen Anwartschaften erhalten habe. Mit Bescheid vom 03.05.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X Rente ohne Minderung um die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften ab dem 01.01.1999. Unter Berücksichtigung der Leistungen, die seine geschiedene Ehefrau erhalten habe, errechne sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 7.766,47 Euro.
Der Kläger legte am 26.05.2004 Widerspruch ein. Er war der Auffassung, dass der Vierjahreseinwand dem Rückausgleichsanspruch des § 4 Abs. 1 VAHRG nicht entgegengehalten werden könne. Zur Stützung seines Vortrags verwies er auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001, Az.: B 4 RA 94/00 R. Die ungekürzte Rente stehe ihm bereits ab dem 01.12.1996 zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass in Anwendung des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X eine Neufeststellung nur für vier Jahre rückwirkend in Betracht komme.
Der Kläger hat am 25.11.2005 Klage erhoben. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 24.07.2001 ausgeführt, dass § 48 SGB X für die Wertfeststellung des streitigen Ausgleichsanspruchs nicht einschlägig sei. Es gehe nicht um die Erfüllung eines in der Vergangenheit in einem Dauerrechtsverhältnis entstandenen und fällig gewordenen Rentenanspruchs, sondern um die Erfüllung eines mit der wesentlichen Änderung mit dem Tod der Ausgleichsberechtigten erstmals entstandenen einmaligen Ausgleichsanspruchs. Hierfür sei § 48 Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ohne Bedeutung.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2004 dem Grunde nach zu verurteilen, ihm über den bisher zuerkannten Ausgleichsanspruch von 7.766,47 Euro hinaus einen weiteren Betrag unter Berücksichtigung auch des Ausgleichszeitraumes vom 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung gewesen, dass auch in den Fällen, in denen gem. § 4 VAHRG ein Abschlag an Entgeltpunkten rückwirkend ab Rentenbeginn nicht mehr zu berücksichtigen sei, § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung finde.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20.05.2005 die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Ausgleichsbetrag auch für die Zeit vom 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 zu zahlen. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am...