Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rentenversicherung. geringfügige Beschäftigung. Erhebung von Pauschalbeiträgen nach § 249b S 1 SGB 5 bzw § 172 Abs 3 SGB 6 verfassungsgemäß. Begriff des Sozialversicherungsbeitrags
Orientierungssatz
1. Die Erhebung eines Pauschalbetrags zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer nach § 249b S 1 SGB 5 und § 172 Abs 3 SGB 6 ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl BSG vom 25.1.2006 - B 12 KR 27/04 R = SozR 4-2500 § 249b Nr 2).
2. Bei den Pauschalbeiträgen des § 249b S 1 SGB 5 und des § 172 Abs 3 SGB 6 handelt es sich nicht um Sonderausgaben und bei der Beitragserhebung somit nicht um eine Verletzung des Äquivalenzprinzips. Das Äquivalenzprinzip, das im Abgabenrecht gilt (dh einer Geldleistung steht eine Gegenleistung der Verwaltung gegenüber) ist für den Begriff des Beitrags im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht maßgebend (vgl BVerfG vom 16.10.1962 - 2 BvL 27/60 = BVerfGE 14, 312 = SozR Nr 1 zu Art 108 GG).
3. Sozialversicherungsbeiträge, die die kompetenzrechtlichen Vorgaben, die sich aus Art 74 Abs 1 Nr 12 iVm Art 72 Abs 2 GG ergeben, beachten, sind nicht als Sonderausgaben iS der Rechtsprechung des BVerfG zu beurteilen (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 = BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1).
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 01.04.2004 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Kläger als Arbeitgeber zur Zahlung eines Pauschalbeitrags zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für einen geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer umstritten.
Die Kläger sind Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die den Studenten N.T. im Jahr 2001 in geringfügigem Umfang (§ 8 Absatz 1 Nr.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) beschäftigten. N.T. war wegen des Bezugs einer Waisenrente bei der Beklagten pflichtversichert. Der Versicherte erzielte im Jahre 2001 ein Entgelt in Höhe von 2.212,- DM aus der Beschäftigung bei den Klägern. Die Kläger führten 265,44 DM (135,72 Euro) an die gesetzliche Rentenversicherung und 221,20 DM (113,10 Euro) an die Krankenversicherung ab.
Am 24.09.2002 beantragten sie bei der Beklagten die Erstattung dieser für den Versicherten entrichteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte eine Beitragserstattung durch den Bescheid vom 27.11.2002 unter Hinweis auf die gemäß § 249b Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 172 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehende Verpflichtung zur Beitragszahlung ab. Den am 17.12.2002 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 30.01.2003 zurück.
Dagegen haben die Kläger am 10.02.2003 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Zur Begründung haben sie vorgebracht: Die Vorschriften des § 249b Satz 1 SGB V und des § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI verstießen gegen das Grundgesetz. Zum einen stellten die von Ihnen als Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge eine Sonderabgabe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dar, für die aber die vom BVerfG geforderten Voraussetzungen nicht vorlägen. Außerdem liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 248,82 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an der Auffassung festgehalten, dass Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der §§ 249b SGB V, 172 Abs. 3 SGB VI nicht bestünden.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 01.04.2004 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 30.04.2004 zugestellte Urteil haben die Kläger am 26.05.2004 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt; der Senat hat die Berufung durch Beschluss vom 29.09.2005 zugelassen.
Zur Begründung der Berufung wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Auffassung, die Regelungen des §§ 172 Abs. 3 SGB VI und 249b SGB V seien verfassungswidrig: Die von ihnen als Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung seien als Sonderabgabe zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des BVerfG liege eine solche vor, wenn es sich um eine Abgabe handele, die in einen Sonderfond und nicht in den Staatshaushalt fließe und die Angehörigen einer bestimmten Gruppe wegen ihrer speziellen Verantwortlichkeit für eine jeweilige besondere Finanzierungsaufgabe belaste. Der Gesetzgeber verfolge mit der Erhebung der streitgegenständlichen Beiträge zum einen das Ziel der Begrenzung der Zahl der geringfügig Beschäftigten sowie das Ziel der Verschaffung zusätzlicher Einnahmen in der Kranken- und Rentenversicherung. Die damit gegebene...