Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Unverwertbarkeit des Miteigentumsanteils an einer Eigentumswohnung. rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot. lebenslanges Nießbrauchs- bzw Wohnrecht der Eltern. Darlehen für neuen Bewilligungszeitraum. keine Nebenbestimmung. Verwaltungsakteigenschaft. Verpflichtungsklage
Orientierungssatz
1. Die Anordnung der darlehensweisen Bewilligung von Leistungen nach § 9 Abs 4 SGB 2 aF bzw § 23 Abs 5 SGB 2 nF verändert den Inhalt des (Haupt-)Verwaltungsaktes selbst und ist damit keine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung zur Hauptregelung des Verwaltungsaktes. Soll der Grundsicherungsträger verpflichtet werden, die begehrte Leistung nicht nur darlehensweise, sondern als Zuschuss zu bewilligen, ist nicht die Anfechtungsklage, sondern die Verpflichtungsklage die statthafte Rechtsschutzform.
2. Die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für einen neuen Bewilligungszeitraum unter Anordnung der darlehensweisen Bewilligung stellt keine wiederholende Verfügung dar, der die Verwaltungsakteigenschaft fehlen würde.
3. Der hälftige Miteigentumsanteil an einer von den Eltern bewohnten Eigentumswohnung, die mit einem lebenslangen Wohn- bzw Nießbrauchsrecht belastet ist und für die zu Lasten des Hilfebedürftigen ein rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot besteht, stellt kein verwertbares Vermögen iS von § 12 Abs 1 SGB 2 dar.
4. § 137 S 1 BGB führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn ein Verstoß gegen das rechtsgeschäftliche Verfügungsverbot begründet gemäß § 280 Abs 1 BGB einen Schadensersatzanspruch, der nach § 249 Abs 1 BGB grundsätzlich auf Rückgängigmachung der Verfügung geht. Eine Unverwertbarkeit von Vermögen besteht damit nicht nur bei absoluten Verfügungsverboten (§ 134 BGB), sondern auch bei relativen Verfügungsverboten, zu denen neben den rechtsgeschäftlichen auch die gesetzlichen oder behördlichen Verfügungsverbote (§§ 135, 136 BGB) zählen.
5. Bei dem nicht unüblichen rechtsgeschäftlichen Verfügungsverbot im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um eine zulässige Rechtsgestaltung, die nicht gegen die guten Sitten gem § 138 BGB verstößt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.01.2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum 30.09.2006 ohne Rückzahlungspflicht oder dagegen - wie die Beklagte meint - nur als Darlehen zustehen. Umstritten ist, ob der hälftige Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung, die mit einem Nießbrauchrecht belastet ist, zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II darstellt, wenn zu Lasten des Miteigentümers ein rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot besteht.
1. Der Kläger ist 1962 geboren. Sein 1938 geborener Vater war Eigentümer einer 54,81 qm großen Eigentumswohnung in D. Mit notariell beurkundetem "Übertragungsvertrag" vom 28.04.2003 übertrug der Vater das Eigentum an dieser Wohnung zum Miteigentum zu gleichen Teilen auf den Kläger sowie dessen Bruder, Herrn A H. Die Übertragung erfolgte in Anrechnung auf den erbrechtlichen Pflichtteil (Ziffer III. 1. des Übertragungsvertrages). Der Vater des Klägers behielt sich an dem Übertragungsobjekt die gesamte Nutzung vor. Der Kläger und sein Bruder räumten ihrem Vater auf dessen Lebzeit an dem Übertragungsobjekt den Nießbrauch ein (Ziffer III. 3. a des Übertragungsvertrages). Der Vater des Klägers hat alle Lasten und Kosten an dem Übertragungsobjekt zu tragen, ferner die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Unterhaltungskosten sowie die laufenden öffentlichen Lasten wie Grund- und Gebäudesteuern und die laufenden privatrechtlichen Lasten (Ziffer III. 3. a des Übertragungsvertrages). Weiter ist in dem Übertragungsvertrag geregelt, dass die Ausübung des Nießbrauchs nicht durch die Zahlung eines Entgelts bedingt ist (ebd.). Der Jahreswert des Nießbrauchs wurde in dem Übertragungsvertrag "zu Kostenberechnungszwecken mit 4.800 € angenommen"; der Nießbrauch soll im Grundbuch eingetragen werden (ebd.).
In dem Übertragungsvertrag behielt sich der Vater des Klägers auch für seine Ehefrau, Frau M H, einen entsprechenden Nießbrauch vor. Dieses Nießbrauchrecht ist aufschiebend bedingt; es entsteht nur, wenn die Ehefrau den Vater des Klägers überlebt und beginnt erst mit dessen Tode (Ziffer III. 3. b des Übertragungsvertrages).
Die Parteien vereinbarten zudem ein Verfügungsverbot (Ziffer III. 4. des Übertragungsvertrages). Der Kläger und sein Bruder verpflichteten sich jeweils als Erwerber,
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"a) |
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zu Lebzeiten des Veräußerers nicht ohne dessen Zustimmung und |
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b) |
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nach dem Tode des Veräußerers nicht ohne Zustimmung seines Ehegatten, Frau M H, |
über seine hier erworbene Beteiligung an d...