Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sonderkündigungsrecht bei Erhebung eines Zusatzbeitrages
Leitsatz (amtlich)
1. Das Sonderkündigungsrecht bei der Erhebung eines Zusatzbeitrages ermöglicht einen Wechsel der Krankenkasse ohne Einhaltung der Mindestbindungsdauer.
2. Der Kassenwechsel erfolgt nach der Kündigung mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats.
Tenor
1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23.09.2020 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Zusatzbeiträgen.
Der Kläger war Mitglied der beklagten Krankenkasse. Mit Schreiben vom 08.06.2017 kündigte die Beklagte eine Erhöhung des Zusatzbeitrags zum 01.07.2017 an. Mit Schreiben vom 12.06.2017 kündigte daraufhin der Kläger seine Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.06.2017. Mit Bescheid vom 12.06.2017 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung auf insgesamt 811,28 € fest. Mit E-Mail vom 17.06.2017 wies der Kläger darauf hin, er habe bei der Beklagten seine Mitgliedschaft bereits gekündigt; das Schreiben der Beklagten vom 12.06.2017 sei damit gegenstandslos. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 21.06.2017 mit, der Zusatzbeitrag sei bis zum Ablauf der Mitgliedschaft am 31.08.2017 zu entrichten. Daraufhin forderte der Kläger mit E-Mail vom 24.11.2017 die Erstattung des monatlichen Differenzbetrags von monatlich 13,05 € für die Monate Juli und August 2017. Diesen Betrag habe sein Arbeitgeber auf der Grundlage des Bescheids vom 12.06.2017 an die Beklagte aufgrund der Erhöhung des Zusatzbeitrages abgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur (vgl. § 65a SGG) genüge für die Einlegung eines formgerechten Widerspruchs zwar nicht. Dennoch werte sie zu Gunsten des Klägers die E-Mail als formgerechten Widerspruch. In der Sache sei der Widerspruch jedoch nicht begründet. Die Beklagte könne von ihren Mitgliedern einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag erheben (vgl. § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Höhe des Zusatzbeitrages sei nach § 194 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in der Satzung der Krankenkasse zu regeln. Nach § 18 der Satzung der Beklagten erhebe sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag ab dem 01.07.2017 in Höhe von 1,5 v.H. der beitragspflichtigen Einnahmen. Die Satzung sei durch Schreiben des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien (MSGFF) in Saarbrücken mit Schreiben vom 23.05.2017 genehmigt worden. Die Erhöhung des Zusatzbeitrages sei deshalb rechtmäßig.
Der Kläger hat gegen diese Entscheidung am 22.03.2018 Klage vor dem Sozialgericht Mainz erhoben. Er habe von seinem Kündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V mit Schreiben vom 12.06.2017 wirksam zum 30.06.2017 Gebrauch gemacht. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Kündigung erst zum 31.08.2017 wirksam geworden sei. Auch sei die Beklagte der nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V geforderten Hinweispflicht nicht nachgekommen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, einen erhöhten Zusatzbeitrag trotz erklärter Kündigung bis zum Ende der Mitgliedschaft einzufordern.
Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt, der Kläger verkenne, dass § 175 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB V lediglich die Frist zur Ausübung des Kündigungsrechts regele. Die genannten Vorschriften enthielten keine Aussagen zum Wirksamwerden der Kündigung. Auch im Falle eines Sonderkündigungsrechts greife § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Danach sei eine Kündigung der Mitgliedschaft erst zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat an, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt habe. Der Kläger habe am 12.06.2017 die Kündigung erklärt. Zutreffend habe sie daraufhin die Mitgliedschaft zum 31.08.2017 beendet. Ihrer Informationspflicht sei sie nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V nachgekommen. Sie habe ihren Zusatzbeitrag zum 01.07.2017 erhoben. Der Hinweis auf die Erhöhung des Zusatzbeitrages sei mit Schreiben vom 08.06.2017 und damit rechtzeitig erfolgt. Bis zur Wirksamkeit des Kassenwechsels seien deshalb die kassenindividuellen Zusatzbeiträge zu entrichten.
Durch Urteil vom 23.09.2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 12.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 sei rechtmäßig. Streitig sei zwischen den Beteiligten allein die Frage, ob die Beklagte trotz Kündigung des Klägers zum 30.06.2017 berechtigt gewesen sei, die erhöhten Zusatzbeiträge für den Zeitraum vom 01.07.2017 bis 31.08.2017 zu erheben. Entgegen der Auffassung des Klägers ende seine Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht zum 30.06.2017. Nach dem Wortlaut („abweichend von Satz 1“) dispensiere § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V ausschließlich die gese...