Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. MDK. Amtsenthebung eines Geschäftsführers aufgrund grober Pflichtverletzung. Abwahl durch Verwaltungsrat als personelle Angelegenheit. Öffentlichkeitsgrundsatz

 

Orientierungssatz

1. Zum Streit über die Amtsenthebung eines Geschäftsführers des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aufgrund grober Pflichtverletzung (hier: insb Gewährung von Leistungsprämien und -zulagen unter Missachtung beamtenrechtlicher Regelungen, Beschaffung eines Buchs über Gleitschirmfliegen, Anschaffung eines Allradtraktors mit Mähwerk für einen Rasenmäher und unangemessene Äußerungen gegenüber dem früheren stellvertretenden Geschäftsführer).

2. Die Abwahl des Geschäftsführers des MDK ist als personelle Angelegenheit iSd § 279 Abs 6 SGB 5 in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung (jetzt Abs 8) iVm § 63 Abs 3 S 2 SGB 4 zu werten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.10.2023; Aktenzeichen B 1 KR 22/22 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.09.2019 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Enthebung des Klägers aus seinem Amt als Geschäftsführer des Beklagten.

Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Am 02.06.1998 wählte der Verwaltungsrat des Beklagten den Kläger zunächst zu seinem kommissarischen Geschäftsführer. Hintergrund war ein vor dem Sozialgericht - SG - Mainz ausgetragener Rechtsstreit (Urteil des SG Mainz vom 29.04.1998 - S 8 K 28/98) über die Abwahl und Kündigung des bisherigen Geschäftsführers, der im Berufungsverfahren (L 5 K 28/98) am 06.04.2000 durch Vergleich beendet wurde. Im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Sozialgericht Mainz änderte der Verwaltungsrat des Beklagten am 16.09.1998 seine Satzung. § 8 der Satzung des Beklagten (Stand 30.11.2012), genehmigt durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit am 05.10.1999, enthält in Nr. 6 die Regelung, dass Aufgabe des Verwaltungsrats die Wahl und Abwahl des Geschäftsführers und seines Stellvertreters sowie der Abschluss der erforderlichen Anstellungsverträge und deren Beendigung sind. Der Verwaltungsrat beschloss ferner am 16.09.1998 einen auf sechs Jahre befristeten Anstellungsvertrag mit dem Kläger als kommissarischem Geschäftsführer ab 01.10.1998 und beauftragte den Vorsitzenden, diesen abzuschließen. Am 13.06.2000 bestellte der Verwaltungsrat des Beklagten den Kläger zum Geschäftsführer und beschloss einen Änderungsvertrag zum bisherigen Anstellungsvertrag.

Dieser enthält in § 2 folgende Regelungen:

„(1) Die Einstellung erfolgte unbefristet.

(2) Das Arbeitsverhältnis ändert außer durch Tod

..

c) durch Kündigung

..

zu c) Der MDK kann das Arbeitsverhältnis nur aus einem in der Person oder im Verhalten des Geschäftsführers liegenden wichtigen Grund kündigen. Die Kündigung bedarf unter Angaben von Gründen der Schriftform.

Die Kündigung durch den Geschäftsführer kann ebenfalls mit einer Frist von 1 Jahr zum 30.06. oder zum Ende des Kalenderjahres erfolgen.

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. Eine Kündigung durch den Geschäftsführer bedarf ebenfalls der Schriftform.

(3) Eine Kündigung des Anstellungsvertrags durch den MDK gilt zugleich als Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer. Davon nicht berührt sind die Pflichten einer Amtsentbindung oder Amtsenthebung.

(4) Nach einer Kündigung des Vertrages ist der MDK berechtigt, dem Geschäftsführer von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen.“

Am 11.03.2013 änderten der Kläger und der Beklagte ohne Beteiligung des Verwaltungsrats den Anstellungsvertrag und schlossen eine „Vereinbarung über die Nutzung eines Dienstwagens/Handys“. In dem Anstellungsvertrag heißt es zu § 2 Buchstabe c:

„(aa) Kündigung des Anstellungsvertrags seitens des MDK

Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags durch den MDK wird hierdurch ausgeschlossen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt davon unberührt. Die Kündigung bedarf unter Angaben von Gründen der Schriftform.“

In einer an den Verwaltungsrat des Beklagten gerichteten anonymen E-Mail vom Juni 2013 wurden verschiedene Vorwürfe gegen den Kläger erhoben. Der Verwaltungsrat beauftragte den Landesprüfdienst der Kranken- und Pflegeversicherung Rheinland-Pfalz (LPD) mit der Prüfung der Vorwürfe. Dieser erstellte am 11.09.2013 einen Sonderprüfbericht. Vor der Übermittlung dieses Berichts hatten die alternierenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats bereits einen mit „Entwurf“ überschriebenen „vorläufigen Zwischensachstandsbericht über die Prüfung des MDK“ (Stand 26.08.2013) erhalten. Mit Schreiben vom 30.09.2013 luden die Vorsitzenden des Verwaltungsrats die Mitglieder des Verwaltungsrats zu einer außerordentlichen Sitzung für den 16.10.2013 ein. Mit Schreiben vom 07.10.2013 teilten sie dem Personalrat mit, dass beabsichtigt sei, das Anstellungsverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen und dass in der Sitzung...

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