Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung ambulanter Krankenhausleistungen. keine zusätzliche Pauschale für pädiatrische Spezialambulanz für die Vergangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Krankenhausträger kann eine zusätzliche Pauschale für eine pädiatrische Spezialambulanz nicht für zurückliegende Jahre vor der Geltendmachung der Pauschale verlangen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.05.2017; Aktenzeichen B 6 KA 10/16 R)

BSG (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen B 6 KA 10/16 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 wird aufgehoben, soweit darin eine Pauschale nach § 120 Abs. 1a SGB V für die Jahre 2010 bis 2012 festgesetzt wird.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Klage wendet sich die klagende Krankenkasse gegen einen Beschluss der beklagten Schiedsstelle nach § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), mit dem diese eine zusätzliche Pauschale für pädiatrische Spezialambulanzen nach § 120 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgesetzt hat.

Das zu 1 beigeladene Klinikum begehrte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 8.10.2013 die Vereinbarung einer ergänzenden Pauschale nach § 120 Abs 1a SGB V für sechs pädiatrische Spezialambulanzen ihres Klinikums, die an die dortige Fachabteilung für Kinder- und Jugendmedizin angegliedert sind, für die Jahre 2009 bis 2014. Die beteiligten Krankenkassen bzw. -verbände vertraten die Auffassung, der Beigeladenen zu 1 stehe für die Jahre 2009 bis 2012 keine Pauschale nach § 120 Abs. 1a SGB V zu, da sie die Pauschale erst 2013 geltend gemacht habe. Die Beigeladene zu 1 und die beteiligten Krankenkassen bzw. -verbände einigten sich diesbezüglich auf ein Ergebnisprotokoll vom 17.3.2014 mit verschiedenen Eckpunkten. Darin hieß es ua:

1. Die Kassenverbände halten an ihrer Rechtsauffassung fest, dass dem Krankenhaus für die Jahre 2009 bis 2012 kein Anspruch auf eine Quartalspauschale nach § 120 Abs 1a SGB V zusteht, da ein solcher Anspruch in den betreffenden Jahren nicht geltend gemacht wurde. Das Krankenhaus teilt diese Auffassung nicht und wird für die Jahre 2009 bis 2012 die Schiedsstelle anrufen.

2. Für den Fall, dass ein Anspruch nach § 120 Abs 1a SGB V für die Jahre 2009 bis 2012 bestehen sollte, gilt eine Quartalspauschale in Höhe von 110,-- € für die aus der Anlage 2 des jeweiligen Honorarbescheides der KV ersichtlichen Fälle als geeinigt.

Mit Beschluss vom 14.10.2014 (zugestellt am 2.12.2014) setzte die Beklagte auf den Antrag der Beigeladenen zu 1 für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2012 eine ergänzende Pauschale nach § 120 Abs 1a SGB V in Höhe von 110,-- € fest; im Übrigen, dh hinsichtlich des Zeitraums vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2009, lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Mit dem Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG) vom 22.12.2010 habe der Gesetzgeber für Pauschalen nach § 120 Abs. 1a SGB V die Konfliktlösung durch die Schiedsstelle eingeführt. Sie, die Beklagte, könne aufgrund des Grundsatzes des intertemporalen Verfahrensrechts auch in Fällen entscheiden, die zusätzliche Pauschalen für Jahre vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung beträfen, wenn das Verfahren erst danach anhängig gemacht werde. Die ergänzenden Pauschalen nach § 120 Abs. 1a SGB V könnten entgegen der Auffassung der Krankenkassen bzw. -verbände auch für zurückliegende Jahre vereinbart werden, auch wenn der Krankenhausträger die zusätzliche Vergütung erst danach geltend gemacht habe. Im Gegensatz zum Krankenhausfinanzierungsrecht enthalte § 120 Abs. 1a SGB V keine Vorgabe, die lediglich eine prospektive Vereinbarung der Pauschalen zulasse. Nach § 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entstünden Ansprüche auf Sozialleistungen unabhängig von einer Antragstellung, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Sie, die Schiedsstelle, vertrete deshalb mehrheitlich die Auffassung, dass vorliegend eine rückwirkende Festsetzung einer Pauschale möglich sei. Ansprüche nach § 120 Abs. 1a SGB V verjährten nach der hier anzuwendenden Regelung des § 45 Abs. 1 SGB I vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden seien. Die Verjährungsfrist für eine Pauschale zugunsten der Beigeladenen zu 1 für das Jahr 2010 habe daher erst mit dem 31.12.2014 geendet. Deshalb sei der Anspruch für dieses Jahr und erst recht für die Jahre 2011 bis 2012 nicht verjährt. Hinsichtlich einer Pauschale für das Jahr 2009 sei demgegenüber Verjährung eingetreten. Der Anspruch sei nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe als ergänzende Regelung zur Verjährung bei der kurzen Verjährungsfrist nicht (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R). Zudem setze Verwirkung neben dem Zeitablauf weitere besondere Umstände voraus - Verwirkungsverhalten, Vertrauensverhalten - (Hinweis auf BSG 1.7.2014 - B 1 KR 2/1...

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