Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. ambulante Behandlung durch ermächtigten Krankenhausarzt. stationäre Aufnahme wegen unvorhersehbarer Komplikationen. gesonderte Vergütung. Arzneimittelvergütung. Krankenhausapotheke

 

Orientierungssatz

1. Soweit im Anschluss an die ambulante Behandlung (hier: Chemotherapie) eines Versicherten durch einen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Krankenhausarzt aufgrund unvorhersehbarer Komplikationen eine stationäre Aufnahme erfolgt, ist die ambulante Behandlung der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen und gesondert zu vergüten.

2. Demgemäß sind auch die im Rahmen der ambulanten Behandlung des Versicherten vom ermächtigten Arzt vertragsärztlich verordneten Medikamente, die nach § 129a SGB 5 zulässigerweise von der Krankenhausapotheke abgegeben wurden, gesondert zu vergüten.

 

Normenkette

SGB V §§ 116, 115b, 129a

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.11.2014; Aktenzeichen B 3 KR 12/13 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 09.11.2012 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Zinsen erst ab 15.11.2010 zu zahlen sind.

2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung für von der Krankenhausapotheke der Klägerin an eine Versicherte der Beklagten abgegebene Arzneimittel in Höhe von (netto) € 2.663,43; umstritten ist insbesondere, ob die Abgabe im Rahmen einer einheitlich zu wertenden stationären Behandlung der Versicherten erfolgte.

Die Klägerin ist ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Aufgrund einer Vereinbarung nach § 129a SGB V mit der Beklagten vom 31.03.2008 (Bl. 140 ff. Prozessakte) darf ihre Krankenhausapotheke Arzneimittel an Versicherte der Beklagten nach gültiger ärztlicher Verordnung abgeben. Der vom Zulassungsausschuss zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Verordnung ermächtigte, bei der Klägerin angestellte Krankenhausarzt Prof. Dr. V verordnete der bei der Beklagten versicherten A S (Versicherte) am 15.02.2007 Medikamente zur Durchführung einer ambulanten Chemotherapie (Anlagenkonvolut K1 zur Klageschrift, Blatt 6 ff. Prozessakte), die von der Krankenhausapotheke applikationsfertig zubereitet und der Versicherten durch Prof. Dr. V am 15.02.2007 ab 8.50 Uhr in der onkologischen Ermächtigungsambulanz intravenös verabreicht wurden, wie dies zuvor bereits mehrfach an anderen Behandlungstagen geschehen war. Etwa zehn Minuten nach Beginn der Carboplatin-Infusion kam es bei der Versicherten gegen 12.00 Uhr zum Schweißausbruch, Unwohlsein, Magendrücken, Palpitationen, beschleunigtem Herzschlag; es kam zum Sauerstoffmangel mit zyanotischen Lippen, so dass das Notfallteam des Krankenhauses alarmiert und schließlich eine notfallmäßige stationäre Aufnahme der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin erfolgte. Den für den stationären Aufenthalt der Versicherten bis zum 16.02.2007 am 08.03.2007 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von € 601,93 beglich die Beklagte in der Folge. Die (nach Abzug der gesetzlichen Zuzahlung der Versicherten) angefallenen Kosten für die aufgrund der Verordnungen des Prof. Dr. V vom 15.02.2007 in der Krankenhausapotheke der Klägerin bezogenen Chemotherapie-Medikamente in Höhe von € 2.663,43 zahlte die Beklagte zunächst in voller Höhe, machte mit Schreiben vom 12.01.2009 jedoch geltend, die Kosten hierfür seien mit der Vergütung für die Krankenhausbehandlung abgegolten. Im Januar 2010 verrechnete sie den streitigen Betrag von € 2.663,43 mit einer anderen Forderung der Klägerin aus Abrechnung von Medikamenten der Krankenhausapotheke.

Am 15.11.2010 hat die Klägerin daraufhin Zahlungsklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Chemotherapie sei am 15.02.2007 im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung des gemäß §§ 116, 120 SGB V ermächtigten Prof. Dr. V vor dem stationären Aufenthalt erfolgt. Die Beklagte hat eingewandt, die Behandlung ihrer Versicherten sei zwar zunächst ambulant begonnen worden, habe dann aber aufgrund von Komplikationen in eine vollstationäre Behandlung übergeführt werden müssen. In diesen Fällen sei die Behandlung als einheitlich stationäre Behandlung anzusehen (Hinweis auf BSG, 04.03.2004 - B 3 KR 4/03 R sowie 08.09.2004 - B 6 KA 14/03 R).

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat der Klage durch Urteil vom 09.11.2012 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 2.663,43 nebst zwei Prozent Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.01.2010 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage auf Vergütung der Arzneimittelkosten habe auch in der Sache Erfolg. Gemäß § 129a Sätze 1 und 3 SGB V vereinbarten die Krankenkassen oder ihre Verbände mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte, insbesondere die Höhe des für den V...

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