Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung. Geltungsbereich. Territorialitätsprinzip. Arbeitsunfall. Jagdunfall. niederländischer Staatsbürger. Mitglied der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. unterschiedliche selbständige Tätigkeiten in zwei Mitgliedstaaten. europäisches Gemeinschaftsrecht. Wohnort als maßgebliches Kriterium. kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung eines Jagdunfalles eines bei der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versicherten niederländischen Jagdpächters als Arbeitsunfall, der hauptberuflich als Selbstständiger in den Niederlanden tätig ist und über einen weiteren Wohnsitz in Deutschland verfügt.
2. Zur Anwendbarkeit von Art 13 Abs 1 iVm Art 14a Nr 2 EWGV 1408/71 in Fällen, in denen unterschiedliche selbstständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausgeübt werden (vgl EuGH vom 20.10.2000 - C-242/99 = SozR 3-6050 Art 14a Nr 2).
3. Das Äquivalenzprinzip zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG wird selbst bei bestehender Beitragspflicht als Jagdunternehmer und fehlender Leistungsberechtigung für seine Person auf Grund der europarechtlichen Kollisionsvorschriften nicht verletzt, weil die Zuweisung der insgesamt vom Kläger verrichteten selbstständigen Tätigkeiten unter die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem sein Wohnort liegt und in dem er hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist, als sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium die Ungleichbehandlung gegenüber einem allein im Inland erwerbstätigen Jagdpächter rechtfertigt.
4. Auch bei der Anwendung der Nachfolgeregelung der Art 11 Abs 1 iVm Art 13a Abs 2 Buchst a EGV 883/2004 verbleibt es nach Maßgabe der europarechtlichen Kollisionsregelungen bei der Zuweisung von Leistungsansprüchen wegen der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Jagdpächter zu den Regelungen des niederländischen Systems der sozialen Sicherheit, so dass ein Leistungsanspruch gegenüber dem deutschen Unfallversicherungsträger nach dem SGB 7 nicht besteht.
5. Zum Nichtvorliegen eines Leistungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Formalversicherung.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 03.11.2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Jagdunfalls als Arbeitsunfall.
Der 1946 geborene Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger und übte in den Niederlanden bis zur Insolvenz seines Unternehmens am 19.05.2009 eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit als Bauunternehmer aus. Neben seinem Wohnsitz in den Niederlanden, wo er sich nach eigenen Angaben überwiegend aufhielt, verfügt er seit Mai 2002 in der Gemeinde ... in einem selbst erbauten Haus über einen weiteren Wohnsitz, an dem er sich seither nach eigenen Angaben zu einem “erheblichen Teil seiner Zeit, wenn auch nicht überwiegend„ aufhält. Zusammen mit dem weiteren Jagdpächter K... pachtete der Kläger 2003 den Jagdbezirk I... I... und 2005 den angrenzenden Jagdbezirk V.... Der Kläger wurde von der Beklagten als Mitglied dieser Jagdgemeinschaften mit Aufnahmebescheiden vom 12.08.2004 bzw. 28.04.2005 nach §§ 136, 123 Abs. 1 Nr. 5 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) aufgenommen und in das Unternehmerverzeichnis eingetragen sowie zur Beitragsumlage gesamtschuldnerisch mit dem weiteren Jagdpächter herangezogen. In einem Merkblatt wurde darüber informiert, dass als Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung der Versicherungsschutz sich auch auf den Unternehmer (Eigenjagdbesitzer oder Jagdpächter) erstrecke. Gegenüber der Beklagten verwendete der Kläger seinerzeit ausschließlich seine Wohnanschrift in I..., der niederländische Wohnsitz und die dort als Bauunternehmer ausgeübte Tätigkeit waren der Beklagten unbekannt.
Bei Reparaturarbeiten an einem Hochsitz in seinem Jagdbezirk stürzte der Kläger am 17.05.2008 aus mehreren Metern Höhe ab und zog sich Frakturen der LWK I und III, der 12. Rippe links sowie eine Radiusfraktur und eine Kopfplatzwunde zu. In den der Beklagten übermittelten Behandlungsberichten wurde neben der deutschen Anschrift auch der holländische Wohnsitz vermerkt. Die Beklagte gewährte zunächst bis Oktober 2009 die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung. Nachdem der Kläger auf Nachfragen mitteilte, er sei in Holland als selbstständiger Unternehmer hauptberuflich tätig und halte sich überwiegend an seinem Wohnsitz in Holland auf, lehnte die Beklagte sodann mit Bescheid vom 23.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2010 die Anerkennung des Unfalls als von ihr zu entschädigendem Arbeitsunfall ab, weil der Kläger nach dem maßgeblichen überstaatlichen Recht...