Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB 5. Hilfsmittel (hier: elektronisches Fußhebersystem). Abgrenzung. Behinderungsausgleich. Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Dient ein Hilfsmittel sowohl dem Behinderungsausgleich als auch der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, greift die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V dann, wenn im Schwerpunkt das Ziel der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung erreicht werden soll.
2. Soweit § 27 Abs 1 S 1 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG die kurative Therapie einer Krankheit umschreibt (Urteil vom 15.3.2018 - B 3 KR 18/17 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 41, RdNr 24), steht dies der Einstufung eines Hilfsmittels als solches zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nicht entgegen. Im Rahmen von § 33 Abs 1 S 1 Alt 1 SGB V ist es ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 20.12.2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit dem Fußhebersystem Bioness L 300 zu versorgen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Hilfsmittelversorgung mit dem elektronischen Fußhebersystem L 300 von Bioness (im Folgenden: Bioness L 300).
Der 1951 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an Multipler Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf und einer hierdurch bedingten Fußheberparese. Nach vorangegangener Probeversorgung (diese hatte die Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2014 abgelehnt) beantragte er unter Vorlage einer Verordnung der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L (Neurozentrum R ) die Versorgung mit dem Fußhebersystem Bioness L 300. Beigefügt war dem Antrag ein Kostenvoranschlag, der einen Endbetrag von 5.701,08 € auswies. Der Antrag ging am 16.06.2014 bei der Beklagten ein.
Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), über die sie den Kläger mit Schreiben vom 24.06.2014 und vom 02.07.2014 in Kenntnis setzte und - in dem Schreiben vom 02.07.2014 - mitteilte, dass sie dem Kläger daher bis zum 17.07.2014 noch nicht abschließend antworten könne. Der MDK gelangte nach Auswertung einer Videodokumentation durch den Orthopädietechniker S und den Arzt im MDK G in einem Gutachten vom 30.06.2014 zu dem Ergebnis, dass mit dem Bioness L 300 ein Behinderungsausgleich bei dezenter Spitzfußhaltung sichtbar sei. Die Versorgung mit einer Toe-off- oder einer Walk-on-Orthese mit gutem funktionellen Defizitausgleich sei jedoch als ausreichend anzusehen, obgleich eine entsprechende Versorgung in der Videopräsentation nicht dargestellt sei.
Hierauf wandte sich die Beklagte mit der Frage ua an Dr. L , aus welchen Gründen die Versorgung mit einer herkömmlichen Fußheberschiene (Toe-off oder Walk-on-Orthese) nicht möglich oder ausreichend sei und welche Therapiemaßnahmen im Vorfeld veranlasst worden seien und nicht als ausreichend und zweckmäßig angesehen würden. Dr. L teilte mit Schreiben vom 18.07.2014 insbesondere mit, dass eine übliche Fußheberschiene bereits eingesetzt worden sei, aber nicht den gewünschten Erfolg gezeigt habe.
Mit Schreiben vom 11.08.2014 wandte sich die Beklagte erneut an den Kläger und teilte diesem mit, dass der MDK (erneut) eingeschaltet worden sei. Sobald dessen Antwort vorliege, werde dem Kläger das Ergebnis umgehend mitgeteilt.
Nachdem der MDK in einer Stellungnahme vom 18.08.2014 (Unterschrift nicht lesbar) das Ergebnis der vorigen Stellungnahme bestätigt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.08.2014 die begehrte Versorgung mit dem Bioness L 300 gestützt auf die Beurteilung des MDK ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie - nach erneuter Einschaltung des MDK, der in einer Stellungnahme vom 14.07.2015 durch den Orthopädiemechanikermeister S erneut bestätigte, dass die Versorgung mit dem Bioness L 300 sozialmedizinisch nicht sachgerecht sei - durch Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015 zurück.
Bereits am 08.09.2015 hatte der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mainz erhoben. Er hat geltend gemacht, dass es ihm durch das Bioness L 300 ermöglicht werde, ohne die bis dato in Folge der abgesenkten Fußspitze bestehende Sturzgefahr zu laufen. Die Anhebung der Fußspitze könne durch eine sog Peronäusschiene nicht erreicht werden; eine solche bleibe daher in ihren Auswirkungen auf den Behinderungsausgleich hinter dem beantragten Hilfsmittel zurück. Ein günstigeres Hilfsmittel sei damit nicht erhältlich, die begehrte Versorgung folglich nicht unwirtschaftlich im Sinne von (iSv) § 12 Abs 1 Fünftes Bu...