Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche- bzw psychotherapeutische Versorgung. Beschränkung der Teilnahme durch § 95 Abs 1 S 1. kein Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung nach § 95 Abs 1 S 1 SGB 5, wonach nur zugelassene Ärzte, Psychotherapeuten und Medizinische Versorgungszentren an der vertragsärztlichen bzw -psychotherapeutischen Versorgung teilnehmen, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Eine erweiternde Auslegung ist - insbesondere unter Berücksichtigung des § 95 Abs 1 S 6 SGB 5 - nicht gerechtfertigt.

2. Auch aus der Entscheidung des BSG vom 29.11.1995 - 3 RK 36/94 = BSGE 77, 130 = SozR 3-2500 § 124 Nr 2, wonach das Berufsrecht der Krankengymnasten eine Berufsausübung durch eine GmbH nicht eindeutig verbiete, ergibt sich keine andere Beurteilung.

 

Normenkette

SGB V § 95 Abs. 1 Sätze 1, 6, § 124 Abs. 2; Ärzte-ZV § 32 Abs. 1 S. 1; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.08.2012; Aktenzeichen B 6 KA 47/11 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 12.01.2011 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Übertragung seiner vertragspsychotherapeutischen Zulassung auf eine nach britischem Recht gegründete Gesellschaft.

Der Kläger nimmt seit 1999 als Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Bezirk der Beigeladenen zu 1 teil. Mit Schreiben vom 17.03.2009 beantragte er, seine Zulassung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung unter gleichzeitigem persönlichen Verzicht hierauf auf die C   H   I       Limited zu übertragen. Diese Firma war im Oktober 2005 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in B     , E   , gegründet worden, Geschäftsführer sind der Kläger und seine Ehefrau; das Gesellschaftskapital beträgt 100 Pfund, aufgeteilt in 100 Gesellschafteranteile zu je 1 Pfund, wobei der Kläger und seine Ehefrau je über 50 Anteile verfügen. Der Kläger gab an, er beabsichtige, seine Praxis künftig in der Organisationsform der juristischen Person auszuüben, um den veränderten Rahmenbedingungen am Markt der Europäischen Union (EU) zu entsprechen. Diese Möglichkeit biete ihm die optimale und kostenreduzierende Nutzung steuerlicher Privilegien und Möglichkeiten, bis hin zur Einbeziehung von Versorgungsmöglichkeiten für ihn und seine Familie in diese Privatsphäre, auch unter Einbeziehung der Ausbildungssituation seiner Kinder. Auf der anderen Seite könne er alle Möglichkeiten, die die Änderung des gesetzlichen Versorgungswesens mit sich bringe, in Anspruch nehmen bis hin zur möglichen Installation eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) sowie sonstiger rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenschlüsse und Kooperationen. Er habe die Organisation der Gesellschaft nach britischem Recht gewählt, die EU-weit uneingeschränkt Wirkung und Geltung habe. Die Gesellschaft sei von ihm gegründet worden und werde von ihm verantwortlich geführt. Die ärztliche und psychotherapeutische Berufsausübung sei auch in der Organisationsform einer juristischen Person möglich, diese sei dann Inhaber des Kassensitzes mit allen Rechten und Pflichten. Dies gelte auch in allen anderen reglementierten Berufsbereichen, bei denen die Berufsausübung darin bestehe, höchstpersönlich Leistungen zu erbringen. Die Zulassung könne an die Person eines zur persönlichen Berufsausübung Berechtigten gekoppelt werden. Er, der Kläger, werde die Leistungen auch nach Übertragung der Zulassung auf die Gesellschaft weiter persönlich erbringen und verantworten. Sollte ihm vorgehalten werden, dass er weder ein Krankenhaus noch ein MVZ betreibe, stellte dies eine Verletzung des Gleichheitsgebots dar.

Mit Beschluss vom 16.06.2009 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten für den Zulassungsbezirk K    den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, es sei grundsätzlich richtig, dass Vertragsärzte bzw. Vertragspsychotherapeuten zur gemeinsamen Berufsausübung eine juristische Person des Privatrechts gründen könnten. In § 95 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe der Gesetzgeber geregelt, dass sich MVZ aller zulässigen Organisationsformen bedienen dürften. Zudem bestehe die Möglichkeit, zu Gunsten einer Anstellung in einem MVZ auf die Zulassung zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Zulassung zu verzichten. Außerhalb dieser Kooperationsform sei es jedoch dem einzelnen Arzt/Psychotherapeut verwehrt, zu Gunsten einer Gesellschaft auf die Zulassung zu verzichten und auf diese zu übertragen. Die Zulassung als Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut stelle sich als Zuerkennung einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung durch Stellen staatlicher Verwaltung dar. Mit ihr werde den Berechtigten die Befugnis übertragen, im ...

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