Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Vorbereitungshandlung. sensorische Prüfung der Fahrbahn auf Eisglätte vor Fahrtantritt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsschutz für Vorbereitungshandlungen ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt (insbesondere für Wegeunfälle nach § 8 Abs 2 SGB VII); Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden (vgl BSG vom 28.4.2004 - B 2 U 26/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 5; vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 6).
2. Andere vorbereitende Maßnahmen, wie etwa die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit, das Auftanken eines für die Fahrt benötigten PKW oder die Beseitigung eines Hindernisses gehören nur ausnahmsweise dann zur versicherten Tätigkeit, wenn diese Maßnahmen unvorhergesehen während des Zurücklegens des Weges von oder zur Arbeitsstätte erforderlich werden (vgl BSG vom 30.11.1972 - 2 RU 119/72, juris; vgl BSG vom 28.6.1988 - 2 RU 14/88, juris RdNr 15 = HV-INFO 1988, 1718; vgl BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 33/98 R, juris RdNr 22 = USK 99123).
3. Die sensorische Prüfung der Fahrbahn auf Eisglätte vor Fahrtantritt durch den Versicherten unmittelbar vor seinem Grundstück stellt daher keine versicherte Tätigkeit dar, da dadurch kein unvorhergesehenes Hindernis beseitigt wird.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30.4.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei seinem Unfall am 11.3.2013 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der 1959 geborene Kläger ist als Technischer Angestellter bei der Verbandsgemeinde S beschäftigt. Am 11.3.2013 erlitt er gegen 6:50 Uhr einen Unfall: Er wollte an diesem Morgen mit seinem Pkw von seinem Wohnort H (W-kreis) zu seiner Arbeitsstelle in S fahren. Nachdem er das Wohnhaus verlassen hatte, ging er zunächst zu seinem vor dem Wohnhaus auf dem Grundstück abgestellten Pkw und legte seine Arbeitstasche in das Auto. Dann verließ er das Grundstück zu Fuß und ging - wenige Meter - auf die öffentliche Straße, um dort vor Fahrtantritt vorsorglich die Fahrbahnverhältnisse darauf zu überprüften, ob es glatt war. Nach einer amtlichen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 6.2.2014 hatte dieser am 10.3.2013 um 17:43 Uhr eine Warnung herausgegeben, nach der im Westerwaldkreis bei weiter sinkenden Temperaturen in der Nacht auf den 11.3.2013 mit Glätte durch überfrierende Nässe oder geringem Schneefall zu rechnen sei. Wegen der örtlichen Verhältnisse wird auf das Lichtbild auf Blatt 20 der Gerichtsakte verwiesen. Während des Rückwegs zu seinem Pkw knickte der Kläger - noch im öffentlichen Straßenraum - in der Regenrinne am Bordstein mit dem Fuß um und fiel auf seinen rechten Arm. Hierbei zog er sich eine Radiusköpfchenfraktur rechts und eine Ulnafraktur rechts zu.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Unfalls als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 4.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2013 ab. Auf die am 11.07.2013 erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz durch Urteil vom 30.4.2014 (der Beklagten zugestellt am 13.5.2013) unter Aufhebung der genannten Bescheide festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom 11.3.2013 um einen Versicherungsfall gehandelt hat: Es habe sich bei dem Gang zur Straße zur Überzeugung der Kammer um eine dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfallende Vorbereitungshandlung in Bezug auf den versicherten Weg zur Arbeit gehandelt. Die Prüfung der Straßenverhältnisse und das Zurücklegen des damit verbundenen Wegs dienten alleine der Vorbereitung der konkreten Fahrt zum Arbeitsplatz und wiesen keine sonstige eigenwirtschaftliche Handlungstendenz oder eine gemischte Motivationslage auf. Die Handlung weise vielmehr einen besonders engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang zum versicherten Arbeitsweg auf. Sie habe lediglich wenige Sekunden und einen zusätzlichen Weg von nur wenigen Metern in Anspruch genommen und bei normativ wertender Betrachtung eine natürliche Einheit mit der Zurücklegung des Wegs zur Arbeit gebildet. Es habe sich auch um eine erforderliche Vorbereitungshandlung gehandelt. Die von der Kammer eingeholte Auskunft des DWD belege eine konkrete gegenwärtige Glättegefahr durch leichten Schneefall oder überfrierende Nässe. Bei dieser Sachlage sei die Prüfung der tatsächlichen Straßenverhältnisse für einen besonnenen und umsichtigen Verkehrsteilnehmer objektiv notwendig gewesen, zwar nicht zur Beseitigung eines absoluten Fahrhindernisses, aber doch zur A...