Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. keine unmittelbaren Wirkungen des Widerspruchs einer Kassenärztlichen Vereinigung zugunsten des beteiligten Arztes. Beteiligtenfähigkeit einer ehemaligen Berufsausübungsgemeinschaft. Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren. eingetretene Bindungswirkung des Bescheides des Prüfungsausschusses wird durch Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht wieder aufgehoben

 

Leitsatz (amtlich)

Der Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung gegen einen Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheid des Prüfungsausschusses wirkt nicht in der Weise zugunsten des von der Prüfung betroffenen Arztes, dass dieser Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses, in dem dieser Widerspruch zurückgewiesen wurde, erheben könnte.

 

Orientierungssatz

1. Eine ehemalige Berufsausübungsgemeinschaft ist beteiligtenfähig iS des § 70 Nr 1 SGG. Dies gilt trotz einer Auflösung der Gemeinschaft, wenn es um Pflichten aus ihrem früheren Status geht (vgl BSG vom 7.2.2007 - B 6 KA 6/06 R = BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31 RdNr 11).

2. Eine ehemalige Berufsausübungsgemeinschaft kann sich nicht darauf stützen, dass in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand des Klageverfahrens nach § 95 SGG ist (vgl BSG vom 29.6.2011 - B 6 KA 16/10 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 31, RdNr 10 - stRspr). Denn dies bedeutet nicht, dass eine einem Beteiligten gegenüber eingetretene Bindungswirkung (§ 77 SGG) ohne weiteres durch einen Bescheid des Beschwerdeausschusses wieder aufgehoben wird.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26.2.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Außergerichtliche Kosten der übrigen Verfahrensbeteiligten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.408,78 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Honorarregresses betreffend die Quartale I/2006 bis IV/2006 in Höhe von 18.408,78 €.

Die Klägerin ist eine ehemalige Berufsausübungsgemeinschaft, deren Gesellschafter im Zeitraum vom 1.9.2004 bis zum 31.12.2006 als Fachärzte für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beigeladenen zu 1 teilnahmen. Mit Schreiben vom 4.7.2008 informierte die Gemeinsame Prüfungseinrichtung der Krankenkassen und der Beigeladenen zu 1 die Klägerin über eine Prüfempfehlung der Beigeladenen betreffend die Honorarabrechnungen der Klägerin in den Quartalen I/2006 bis IV/2006. Ursächlich hierfür seien Überschreitungen bei der GO-Nr 01412 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) - “Dringender Besuch wegen der Erkrankung… - ).

Mit Schreiben vom 11.3.2010 wies die Gemeinsame Prüfungseinrichtung die Klägerin darauf hin, dass auch hinsichtlich der GO-Nrn 01100, 03001 und 03311 EBM-Ä Auffälligkeiten bestünden. Die GO-Nrn 01100 und 03311 EBM-Ä lauteten in den streitbefangenen Quartalen::

01100 

unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten

- zwischen 19.00 und 22.00 Uhr

- an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07.00 Uhr und 19.00 Uhr

500 Punkte

03311 

Ganzkörperstatus

Obligater Leistungsinhalt

- Erhebung des Ganzkörperstatus

Fakultativer Leistungsinhalt

- Leistung nach der Nr 03312

einmal im Behandlungsfall

300 Punkte,

Mit Prüfbescheid vom 28.7.2010 (der Klägerin zugestellt am 29.7.2010) setzte der Prüfungsausschuss einen Honorarregress von 18.408,78 € gegen die Klägerin fest. Die Kürzung erfolgte, soweit der gewichtete Fachgruppendurchschnitt (unter Berücksichtigung der niedrigen Ansatzfrequenz der Fachgruppe) bei der GO-Nr 01100 EBM-Ä um mehr als + 200 % und bei der GO-Nr 03311 EBM-Ä (insoweit nach Bereinigung einer bereits durchgeführten sachlich-rechnerischen Korrektur) um mehr als + 100 % überschritten wurde. Hinsichtlich der GO-Nr 01412 EBM-Ä erfolgte eine Beratung und hinsichtlich der GO-Nr 03001 EBM-Ä keine Maßnahme.

Gegen den Prüfbescheid legte die Beigeladene zu 1 Widerspruch ein. Sie beanstandete die statistische Prüfung und Kürzung hinsichtlich der GO-Nr 03311 EBM-Ä; die Erbringung des fakultativen Leistungsinhalts dieser Leistung sei vom Einzelfall abhängig, sodass keine Grundlage für einen statistischen Vergleich bestehe; im vorliegenden Fall sei zur Prüfung der GO-Nr 03311 EBM-Ä die eingeschränkte, ggf repräsentative Einzelfallprüfung die geeignete Prüfmethode.

Die Klägerin nahm im Widerspruchsverfahren Akteneinsicht in die Akte des Beklagten. In dessen Sitzung am 8.2.2012 bezweifelte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin die “korrekte Einhaltung der Zustellungsfrist des Prüfbescheides„. Hinsichtlich der GO-Nr 01100 EBM-Ä machte die Klägerin geltend, die Vergleichsgruppe hätte auf das Gebiet “Nord„ des Landes Rheinland-Pfalz ...

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