Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. rechtmäßiger Beitragsbescheid. Beitragsforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter. Zeitraum der starken vorläufigen Insolvenz. Masseverbindlichkeit gem § 55 Abs 1 Nr 1 Alt 2 Abs 2 InsO. einfache Insolvenzforderung gem § 38 InsO. Anmeldung zur Tabelle. keine Gleichsetzung der Unfallversicherungsbeiträge mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag. keine analoge Anwendung der §§ 55 Abs 3 S 2 InsO, 175 SGB 3
Orientierungssatz
1. Bei bestehenden Beitragsverbindlichkeiten des insolventen Mitgliedsunternehmens gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger im Zeitraum der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung iS des § 22 Abs 1 InsO handelt es sich um sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs 1 Nr 1 Alt 2, Abs 2 InsO und nicht um einfache Insolvenzforderungen.
2. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung können bei der Anwendung der §§ 55 Abs 3 S 2 InsO, 175 Abs 1 S 1 SGB 3 nicht aus haftungsrechtlichen Gründen generell dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag gleichgesetzt werden.
3. Die §§ 55 Abs 3 S 2 InsO, 175 Abs 1 S 1 SGB 3 können auch nicht analog auf die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung angewandt werden. Insoweit fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.
4. Die Ermächtigung des § 168 SGB 7, in der Form des Verwaltungsaktes handeln zu dürfen, erstreckt sich auch auf die Befugnis, eine Forderung im Insolvenzverfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter als Forderung zur Masse gegenüber § 55 Abs 1 InsO festzusetzen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26.10.2018 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.143,39 Euro festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Beitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der K GmbH & Co. KG, B (im Folgenden: Schuldnerin) im Zeitraum vom 5.3.2015 bis zum 31.3.2015 als Masseforderung.
Die Schuldnerin ist seit dem 1.5.1997 Mitglied der Beklagten und zu dieser beitragspflichtig.
Mit Beschluss vom 29.1.2015 ordnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Zweibrücken zur Sicherung der Masse und zum Schutz der Gläubiger gemäß §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Auf Antrag des Klägers änderte das Insolvenzgericht den Beschluss vom 29.1.2015 mit Beschluss vom 5.3.2015 und verhängte gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 Hs. 1 InsO ein allgemeines Verfügungsverbot.
Durch weiterem Beschluss vom 1.4.2015 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren zum 1.4.2015 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Mit Schreiben vom 16.4.2015, bei der Beklagten eingegangen am 21.4.2015, übersandte der Kläger der Beklagten den Eröffnungsbeschluss und forderte sie auf, fristgerecht Insolvenzforderungen anzumelden.
Die Beklagte übersandte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 21.5.2015 ein Formular für den Lohnnachweis 2015 im Zeitraum der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung.
Mit weiterem Schreiben vom 22.5.2015 meldete die Beklagte die Beiträge für die Umlagejahre 2013 und 2014, Säumniszuschläge hieraus, einen Schätzbetrag für den Zeitraum vom 1.1.2015 bis zum 28.1.2015 sowie Kosten der Vollstreckung in Höhe von insgesamt 67.779,51 Euro gemäß § 38 InsO zur Tabelle an.
In einem Lohnnachweis vom 7.9.2015, bei der Beklagten eingegangen am 8.9.2015, meldete der Kläger der Beklagten für den Zeitraum vom 29.1.2015 bis zum 31.3.2015 eine Lohnsumme von 140.754,00 Euro für 194 Beschäftigte.
Die Beklagte setzte daraufhin mit Bescheid vom 9.9.2015 gegenüber der Schuldnerin für den Zeitraum vom 29.1.2015 bis zum 31.3.2015 eine Beitragsabfindung in Höhe von 5.107,76 Euro fest.
Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein.
Zur Begründung machte er geltend, bei dem festgesetzten Beitrag handele es sich um eine einfache Insolvenzforderung, die Beklagte gemäß § 38 InsO zur Insolvenztabelle anmelden müsse.
Mit Schreiben vom 21.9.2015 vertrat die Beklagte gegenüber dem Kläger die Auffassung, der Beitragsbescheid vom 9.9.2015 beziehe sich auf den Zeitraum der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung. Es handele sich daher bei der Beitragsforderung von 5.107,76 Euro um eine Forderung gemäß § 55 Abs. 2 InsO. Damit sei sie nicht zur Tabelle anzumelden.
Dem entgegnete der Kläger mit Schreiben vom 9.11.2015, die Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien gemäß § 55 Abs. 3 S. 2 InsO auch im Falle einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung lediglich als Insolvenzforderung nach § 38 InsO zur Tabelle anzumelden.
Mit Bescheid vom 16.11.2015 hob die Beklagte den Bescheid vom 9.9.2015 auf, da er an einen falschen Adressaten, nämlich die Schuldnerin, und nicht an den Kläger gerichtet war.
Anschließend erließ die Beklagte am 17.11.2015 ...