Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung von Sozialleistungsansprüchen mit rückständigen Beiträgen im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eintritt einer Insolvenz bei einem Versicherten steht einer Verrechnung von Sozialleistungsansprüchen nicht entgegen, sofern eine Aufrechnungslage bereits vor dem Insolvenzeintritt bestand.

2. Eine Aufrechnungslage entsteht regelmäßig bereits mit der Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Versicherten und nicht erst mit der Erteilung einer Ermächtigung des Sozialleistungsträgers zur Verrechnung.

3. Bei fehlender Pfändbarkeit einer Sozialleistung fällt diese nicht in die Insolvenzmasse und ist somit dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 1 vgl BSG vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R = SozR 4-1200 § 51 Nr 1.

 

Normenkette

SGB I § 51 Abs. 2, §§ 52, 54 Abs. 2, 4; InsO § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Sätze 1-2, § 80 Abs. 1, § 95 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 114 Abs. 2 Fassung: 2001-01-10; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 24 Abs. 1; ZPO § 850c; BGB § 394 S. 1; GG Art. 20 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.03.2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung eines Teils der laufenden monatlichen Rentenansprüche aus der Altersrente des Klägers mit einer Beitragsschuld des Klägers gegenüber der Berufsgenossenschaft trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.

Der am ...1941 geborene Kläger hat gegenüber der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG) rückständige Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2007 bis 2010 einschließlich Kosten und Gebühren in Höhe von 24.641,75 €. Dies stellte die BG mit Bescheiden vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 gegenüber dem Kläger fest.

Seit 2007 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Regelaltersrente, ab dem Jahr 2010 in Höhe von monatlich 800,01 € netto.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) K vom 05.05.2010 - … wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.

Die Beklagte ist von der BG mit Schreiben vom 05.06.2010 ermächtigt worden, die von dem Kläger geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung gegen die zuerkannten laufenden Geldleistungen aus Altersrente zu verrechnen.

Am 08.07.2010 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Verrechnung eines Teils seiner monatlichen Altersrentenansprüche (150,00 €) mit der gegenüber der BG noch nicht beglichenen Beitragsschuld an. Mit Bescheid vom 15.10.2010 führte die Beklagte die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch. Gegen die Rente des Klägers in Höhe von 800,01 € wurden monatlich 150,00 EUR ab Dezember 2010 verrechnet und von diesem Zeitpunkt folglich nur noch 650,01 € monatlich als Altersrente ausgezahlt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.03.2011 Widerspruch ein. Seiner Auffassung nach könne aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts K vom 05.05.2010 über sein Vermögen keine Verrechnung rückständiger Beiträge erfolgen. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2011 den Widerspruch als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 27.04.2011 lehnte sie den Überprüfungsantrag ab. Dieser Bescheid wurde bindend.

Am 11.07.2011 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2011 ablehnte. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der zugunsten der BG festgestellte Verrechnungsbetrag von monatlich 150,00 € in rechtlich zutreffender Weise festgestellt worden sei. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) vor. Für die Verrechnung habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen, soweit sie über § 850c der Zivilprozessordnung (ZPO) hinausgehend Rentenbeträge erfasse, mit denen im Rahmen von § 51 Abs 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig sei.

Der Kläger hat am 13.02.2012 beim Sozialgericht Koblenz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er vorgetragen, dass die Verrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig sei, da das Insolvenzverfahren Vorrang habe. Eine Verrechnung richte sich nach §§ 94 ff. Insolvenzordnung (InsO) und sei nur dann durchführbar, wenn die Möglichkeit zur Verrechnung bereits vor Verfahrenseröffnung gemäß § 94 InsO bestanden habe. Dies sei aber gerade vorliegend nicht der Fall, da eine Ermächtigung zur Verrechnung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 05.06.2010 erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe noch keine Aufrechnungslage vorgelegen, so dass die Verrechnung rechtswidrig sei. Er hat zur Begründung seiner ...

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