Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Übergabe der dem Versicherten ausgestellten vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an Hörgeräteakustiker. kein Leistungsantrag gegenüber Krankenkasse. Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers. Versorgung mit Hörgeräten. Kostenerstattung. Leistungen zur Teilhabe. Anpassungsvorgang. Versorgungsanzeige durch einen Hörgeräteakustiker an die Krankenkasse. Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Kommunikation. Beschaffungsweg. Ermessensreduzierung auf Null
Leitsatz (amtlich)
Allein in der Übergabe der dem Versicherten ausgestellten vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker ist kein Leistungsantrag gegenüber der Krankenkasse zu sehen (Entgegen BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R = BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, juris RdNr 20).
Orientierungssatz
Die einmal begründete Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers entfällt auch für nachfolgende Verfahren nicht (vgl BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R aaO).
Normenkette
SGB IX § 14 Abs. 1-2, § 15 Abs. 1, §§ 26, 31 Abs. 1 Nr. 3; SGB V § 73 Abs. 2 Nr. 7; SGB I § 16 Abs. 1; SGB VI §§ 10, 13 Abs. 1 S. 1, § 15
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.05.2011 - S 5 R 145/09 - sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 aufgehoben; die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.360,84 € zur Beschaffung der Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD -19 nebst Zubehör zu zahlen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die erforderlichen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme von Kosten für eine Hörgeräteversorgung der Klägerin. Konkret macht die Klägerin die Erstattung von Kosten für zwei Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD-19 in Höhe von 3.360,84 € geltend.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit ihrer Kindheit schwerhörig und war ab den frühen 1980er Jahren als Arbeiterin am Fließband und in einem Reparaturbetrieb bei der D tätig. Auf Grund ihrer Qualifikation nahm die Klägerin einige Zeit später eine Tätigkeit im Bereich der Finanzbuchhaltung für die D auf, die sie auch noch im Jahre 2004 ausübte. Zu ihren Aufgaben zählte damals das Anlegen und Pflegen von Stammdaten für die D AG. Diese Aufgaben wurden zentral in der Niederlassung in S ausgeführt. Zum Tätigkeitsbereich der Klägerin gehörte die zentrale Stammdatenpflege in SAP R/3 mit Schwerpunkt Kreditorenstammdaten, die Neuanlage von Stammdaten, das Pflegen vorhandener Stammdaten, das Überwachen von Dubletten, das Sperren und Löschen von Stammdaten etc.; die telefonische Beratung bezüglich der Kreditorenstammdaten konnte die Klägerin auf Grund ihrer eingeschränkten Hörfähigkeit nicht wahrnehmen. Zusätzliche Aufgaben der Klägerin waren u.a. die Einarbeitung/Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikums bzw. die Teilnahme und Umsetzung von Teambesprechungen (mit bis zu 30 Mitarbeitern), Arbeitsunterweisungen (für bis zu 20 Mitarbeiter), Netz- und Telefonkonferenzen (vgl. die Arbeitsplatzbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 04.10.2005, Bl. 29 der Gerichtsakte).
Erstmals erkannte die Versorgungsverwaltung der Klägerin 1985 einen Grad der Behinderung (GdB) zu. Seit Dezember 2000 ist bei der Klägerin ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen RF und Gl anerkannt. In den Jahren 1990/1991 fand die erste Hörgeräteversorgung am linken Ohr der Klägerin statt. Ab 1996 befindet sich die Klägerin bei ihrem derzeitigen HNO-Arzt Dr. A in S in Behandlung. Eine beiderseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin erfolgte 1998.
Dr. A verordnete der Klägerin unter dem 08.11.2004 auf einem entsprechenden Vordruck neue Hörhilfen und nannte dazu als Diagnose "Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits". Mit dieser Hörgeräteverordnung wandte sich die Klägerin an das Hörgeräteakustikunternehmen R -Hörgeräte GmbH in S . Die Firma R erstellte unter dem 09.11.2004 einen Kostenvoranschlag für eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin mit dem Gerät Senso Diva SD-19 in Höhe von 3.445,84 € (= Gesamtpreis in Höhe von 4.438,25 € abzüglich Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 992,41 €). Unter Verwendung des betreffenden Antragsformulars der Beklagten und unter Beifügung des Kostenvoranschlages sowie der Hörgeräteverordnung vom 08.11.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen, d.h. die Übernahme der Kosten des Hörgerätes. Die Klägerin gab unter anderem an, dass sie für die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen bislang bei keiner anderen Stelle einen Antrag gestellt habe. Der Antrag ging bei der Beklagten am 11.11.2004 ein.
Mit Bescheid vom 29.11.2004 lehnte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Antrag auf Hörhilfeversorgung ab. Zur Begründung führte sie u...