Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. rechtswidriger bestandskräftiger Grundlagenbescheid gem § 45 SGB 10. kein Ausschluss gem § 48 Abs 3 SGB 10: Erhöhung der Schwerbeschädigtengrundrente gem § 31 Abs 1 S 2 BVG. sozialer Besitzstand gem § 62 Abs 3 BVG: gesetzliche Erhöhung der Versorgungsleistungen
Orientierungssatz
Die Erhöhung einer Schwerbeschädigtengrundrente (gesetzliche Alterszulage) gem § 31 Abs 2 S 1 BVG ist nicht wegen der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der wegen des Ablaufes der Zweijahresfrist gem § 45 Abs 3 SGB 10 nicht mehr zurücknehmbaren Grundlagenbescheide gem § 48 Abs 3 SGB 10 ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.02.2009 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erhöhung der Schwerbeschädigtengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die im Jahr 1941 geborene Klägerin bezieht wegen einer im Frühjahr 1945 erlittenen Verletzung Versorgung nach dem BVG, wobei zunächst mit Bescheid vom 07.05.1954 als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), jetzt Grad der Schädigungsfolgen (GdS), von 30 vH anerkannt wurde: "Wadenbeinnervlähmung nach Kinderlähmung".
Die Schädigungsfolgen wurden mehrfach neu bewertet. Auf Grund eines Neufeststellungsantrages untersuchte zuletzt der Versorgungsarzt Dr. G die Klägerin im Juni 1995. Gestützt auf dessen Gutachten erhöhte das Versorgungsamt D mit Bescheid vom 15.08.1995 die MdE auf 50 vH und bezeichnete die Schädigungsfolgen neu als: "Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung, Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines".
Im Mai 2005 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag nach dem Schwerbehindertenrecht, den der Beklagte auch als Neufeststellungsantrag nach dem BVG auslegte.
Dazu veranlasste der Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Orthopädie Dr. D im November 2005. Dieser kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, nach den jetzt vorliegenden röntgenologischen/kernspintomographischen Befunden von Lendenwirbelsäule und dem Ergebnis der Untersuchung sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Lähmung des linken Beines mit Klumpfußbildung nicht im ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung des linken Beines während der Vertreibung und Flucht stehe und daher nicht als Kriegsfolgeschaden anzusehen sei. Die Leiden seien vielmehr ursächlich auf eine angeborene Segmentationsstörung, eine Bogenschlussanomalie, d. h. eine Missbildung sowohl der knöchernen Wirbelsäule als auch des Rückenmarkes, verursacht worden.
Der Sozialmediziner Dr. D wertete das Gutachten aus und kam in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.02.2006 zu dem Ergebnis, im Gegensatz zum Jahr 1954 habe man heute durch Kernspin- und Computertomographie die Möglichkeit, die Wirbelsäule intensiv zu untersuchen und erst dabei sei eine multiple Fehlbildung der Wirbelsäule festgestellt worden. Das vorhandene Lähmungs- und Störungsbild der Klägerin passe genau zu dieser Missbildung der Wirbelsäule. Daher sei die als Kriegsschaden anerkannte Wadenbeinnervenlähmung ursächlich auf die Fehlbildung der Wirbelsäule zurückzuführen und früher zweifelsfrei unrichtig anerkannt worden.
Nach Anhörung der Klägerin erteilte das Amt für soziale Angelegenheiten Landau mit Schreiben vom 25.09.2006 der Klägerin einen Bescheid und entschied:
1. Es wird festgestellt, dass die mit Bescheid vom 07.05.1954 erfolgte Anerkennung "Wadenbeinnervlähmung nach Kinderlähmung" - MdE gemäß § 30 Abs 1 BVG 30 vH - zweifelsfrei unrichtig im Sinne der §§ 1 Abs. 3 S. 3 BVG und § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist. Ebenso sind die mit Bescheiden vom 28.06.1973 (Schädigungsfolgenbezeichnung: "Wadenbeinnervenlähmung mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung sowie Hornschwielenbildung auf der Fußsohle links" - Erhöhung der MdE auf 40 vH) und 15.08.1995 (Schädigungsfolgenbezeichnung: "Wadenbeinnervenlähmung links mit Hohlfuß- und Hammerzehenbildung, Schwielenbildung auf der Fußsohle und Fehlstellung des gesamten Fußes, Muskelminderung des linken Beines" Erhöhung der MdE auf 50 vH) erfolgten Neufeststellung zweifelsfrei unrichtig im Sinne des § 45 SGB X.
2. Diese Bescheide können jedoch wegen Ablaufs der Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB nicht mehr zurückgenommen werden.
3. Bei zukünftigen Änderungen ist § 48 Abs. 3 SGB X zu beachten.
4. Die auf Grund von Rentenanpassungen zukünftig sich ergebenden Grundrentenerhöhungen (MdE 50) werden weiterhin erfolgen.
5. Der anhängige Rentenerhöhungsantrag vom 20.05.2005 wird abgelehnt.
6. Der für die Zeit von April 2006 bis Juli 2006 zuviel gezahlte Betrag in Höhe von insgesamt 96,00 Euro wird von Ihnen gemäß § 50 SGB X zurückge...