Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Oligo-Epilepsie. rückwirkende Feststellung des Grads der Schädigungsfolgen. bestandskräftiger Bescheid. dreijährige Anfallsfreiheit als wesentliche Änderung der Verhältnisse. Bestandsschutz nach § 62 Abs 3 BVG. Vertrauensschutz ab Zeitpunkt der GdS-Festsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei § 62 Abs 3 BVG handelt es sich um eine Bestimmung, die den Vertrauensschutz für ältere Versorgungsberechtigte in den Bestand und die Höhe ihrer Versorgung sichern soll, Vertrauen kann erst begründet sein ab dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung gewährt wurde.
2. Vertrauen wird erst ab dem Zeitpunkt begründet, zu dem der Bescheid über die Höhe des GdS erging. Daher beginnt die 10-Jahresfrist des § 62 Abs 3 BVG auch erst ab diesem Zeitpunkt, nicht ab dem Zeitpunkt, der in dem Bescheid als Beginn der Versorgung festgesetzt wird.
Orientierungssatz
1. Eine bestandskräftige GdS-Bewertung zu einer Oligo-Epilepsie kann wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 aufgehoben werden, wenn gemäß Teil B Nr 3.1.2 der in der Anlage zu § 2 VersMedV geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätze in den zurückliegenden drei Jahren keine Anfälle mehr bestanden haben.
2. Zu den Leitsätzen vgl BSG vom 6.7.2006 - B 9a V 4/05 R - SozR 4-3100 § 62 Nr 1.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 13.09.2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der im Jahr 1941 geborene Kläger leistete vom 03.01.1962 bis 30.09.1994 Wehrdienst in der Bundeswehr. Bei einem Verkehrsunfall am 05.05.1968 zog er sich u. a. eine Contusio cerebri zu. Während eines stationären Krankenhausaufenthalts im September 1997 wurden u. a. die Diagnosen rezidivierende Synkopen unklarer Genese, Verdacht auf zerebrale Krampfanfälle, Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelhirntrauma gestellt.
Im Februar 1999 wurde der Kläger stationär im B Krankenhaus U , Abteilung Neurologie und Psychiatrie durch Oberfeldarzt Dr. B und Oberstabsärztin E. S untersucht. Im Gutachten vom 06.12.1999 kamen die Ärzte zu dem Ergebnis, es müsse von einer behandlungsbedürftigen Epilepsie als Spätmanifestation eines posttraumatischen Anfallsleidens aufgrund des Unfallereignisses vom 05.05.1968 ausgegangen werden. Es handele sich um eine posttraumatische Oligo-Epilepsie mit Grand Mal-Anfällen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 40 v. H. einzuschätzen. Weiterbestehende Cervicocephalgien bei degenerativer HWS-Erkrankung mit Verschlimmerung der Beschwerdesymptomatik durch den Unfall seien mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE werde mit 40 v. H. eingeschätzt.
Nach versorgungsärztlicher Beteiligung erkannte die Wehrbereichsverwaltung Süd mit Bescheid vom 19.06.2000 als Wehrdienstbeschädigungsfolgen “posttraumatisches Anfallsleiden (Oligo-Epilepsie), Distorsion der Hals- und oberen Brustwirbelsäule mit zeitweisen Schmerzsyndromen vom 05.05.1968 bis 31.12.1968; Innenohrhochdruckschwerhörigkeit beidseits„ hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen i. S. d. § 81 SVG an und gewährte Versorgung nach einer MdE von 40 v. H. ab 01.11.1969.
Im Widerspruchsverfahren führten Dr. B /Stationsarzt F. G nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers im Oktober 2001 in einer gutachterlichen Stellungnahme aus, aufgrund der fehlenden Vorbefunde könne nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bereits vor dem Unfall eine erniedrigte Krampfschwelle bestanden habe. Das Vorliegen einer posttraumatischen Oligo-Epilepsie sei damit hinreichend wahrscheinlich, jedoch nicht gesichert.
Nach versorgungsärztlicher Beteiligung nahm die Wehrbereichsverwaltung Süd mit Bescheid vom 14.06.2002 den Bescheid vom 19.06.2000 gemäß § 45 SGB X insoweit zurück, als darin über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge einer Wehrdienstbeschädigung entschieden worden sei. Die Wehrdienstbeschädigung wurde nunmehr neu bezeichnet als: “stattgehabtes Schädel-Hirn-Trauma 1968; Distorsion der Hals- und oberen Brustwirbelsäule mit zeitweisen Schmerzsyndromen vom 05.05.1968 bis 31.12.1968; Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits; knöchern fest verheilter Knochenriss des Grundglieds des rechten Mittelfingers„ mit einer MdE unter 25 v. H.. Die Diagnose eines posttraumatischen Anfallsleidens (Oligo-Epilepsie) könne nicht als gesichert betrachtet werden und sei daher zu Unrecht erfolgt. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen.
Im hiergegen vor dem Sozialgericht Speyer durchgeführten Klageverfahren holte das Sozialgericht ein Gutachten des Dr. F , Leitender Arzt der Abteilung für Neurologie am Städtischen Klinikum N , ein. In seinem Gutachten vom 13.01.2002 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, wahrscheinlich wesentlich durch...