Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Anwendbarkeit der Verfallfrist nach § 44 Abs 4 S 1 SGB 10 bei der Überprüfung endgültiger Festsetzungs- und Erstattungsbescheide. kein Rechtsschutzbedürfnis für ein Zugunstenverfahren bei vorläufigen Bewilligungsbescheiden. endgültige Festsetzungsbescheide kein Gegenstand des Berufungsverfahrens über einen Streit zu einem Zugunstenverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Bei vorläufigen Bewilligungsbescheiden hat der Leistungsbezieher vorrangig das Verfahren auf endgültige Festsetzung zu betreiben. Für ein sog Zugunstenverfahren gem § 44 SGB X besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis.
2. Bescheide, die im Rahmen der endgültigen Festsetzung der Leistungen erlassen werden, sind nicht über § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens über einen Streit der Beteiligten zu einem sog Zugunstenverfahren.
3. Hinreichende Erfolgsaussichten für eine PKH-Bewilligung sind zu bejahen, wenn es in der Hauptsache auf eine schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage ankommt. Eine solche Rechtsfrage stellt sich im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Verfallfrist des § 44 Abs 4 S 1 SGB X, wenn die Überprüfung endgültiger Festsetzungs- und Erstattungsbescheide im sog Zugunstenverfahren begehrt wird.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. November 2016 wird aufgehoben und den Klägern für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., B., bewilligt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (im Weiteren: Kläger) wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, mit dem ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe für das mittlerweile beendete erstinstanzliche Klageverfahren abgelehnt worden ist. In diesem Verfahren ging es den Klägern - wie in dem nunmehr geführten Berufungsverfahren (L 4 AS 707/16) - um höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für das Kalenderjahr 2011.
Die 1955 geborene Klägerin und der 1951 geborene Kläger sind miteinander verheiratet. Sie leben in einem Eigenheim im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Mit einer Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 hatte der Beklagte den Klägern mitgeteilt, entsprechend der Handlungsempfehlungen des Landkreises A. seien die Richtwerte für die monatlichen Wohnkosten bei Wohneigentum und einem 2-Personen-Haushalt mit 252 EUR Schuldzinsen und 156 EUR Betriebs- und Heizkosten verbindlich festgelegt. Es sei beabsichtigt, die tatsächlichen Kosten längstens für die Dauer von sechs Monaten zu übernehmen.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 19. Juli 2010 bewilligte der Beklagte unter Hinweis auf die Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 mit Bescheid vom 22. Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter anderem für Januar und Februar 2011, wobei er Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich insgesamt 336 EUR (252 EUR Schuldzinsen und 84 EUR kalte Nebenkosten, in beiden Fällen weniger als die tatsächlichen Aufwendungen) berücksichtigte. Den Bescheid vom 29. Juli 2010 hob er mit Bescheid vom 22. Juli 2010 auf, weil ab September 2010 Einkommen anzurechnen sei und bewilligte vorläufig Leistungen in monatlich geringerer Höhe, allerdings ohne Veränderung der in die Berechnung eingestellten Bedarfe für Unterkunft. Im Bescheid vom 23. November 2010 berücksichtigte er den Wegfall des Einkommens ab Januar 2011. Für Januar und Februar 2011 belief sich der Bewilligungsbetrag wieder auf denjenigen aus dem Bescheid vom 22. Juli 2010, es blieb aber bei der vorläufigen Bewilligung. Mit Änderungsbescheid vom 28. März 2011, in dem der Beklagte jedenfalls nicht ausdrücklich an der Vorläufigkeit der bislang getroffenen Regelungen festhielt, berücksichtigte er die Erhöhung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 28. Januar 2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 2011 Leistungen nach dem SGB II für März bis August 2011. Die Bewilligung sollte im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft vorläufig sein. Der Beklagte berücksichtigte als Bedarfe für Unterkunft kalte Nebenkosten in Höhe von monatlich insgesamt 89,34 EUR.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 25. Juli 2011 bewilligte der Beklagte unter Hinweis auf die Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 mit Bescheid vom 26. Juli 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. August 2011 Leistungen nach dem SGB II für September 2011 bis Februar 2012, wobei er Aufwendungen für Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 357,52 EUR (252 EUR Schuldzinsen und 105,52 EUR kalte Nebenkosten) berücksichtigte. Wegen der Tätigkeit des Klägers in einer Arbeitsgelegenheit (Entgeltvariante) ab dem 1. Oktober 2011 hob der Beklagte am 6. Oktober 2011 seinen Bescheid vom 22. August 2011 auf und erließ einen vorläufigen Bewilligungsbescheid für ...