Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Bescheid über Beitragsnacherhebung und Statusfeststellung. einstweiliger Rechtsschutz. Anwendbarkeit des § 7a Abs 7 SGB 4. lex specialis gegenüber § 86a Abs 2 Nr 1 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen Feststellungsbescheid nach § 7a Abs 7 SGB IV entfällt nicht, wenn im selben Bescheid daneben auch Beiträge nachgefordert werden. Gegenüber § 86a Abs 2 Nr 1 SGG ist § 7a SGB IV lex specialis.
2. § 7a Abs 7 SGB IV gilt nicht nur für Statusentscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV, dh insbesondere bei Betriebsprüfungen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. März 2016 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch vom 2. November 2015 und die vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobene Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 2015 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 aufschiebende Wirkung haben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 14.208,65 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Beitragsforderung der Antragsgegnerin.
Sie betreibt die Vermittlung von Versicherungsverträgen, Bausparverträgen und sonstigen Finanzdienstleistungen.
Vom 13. April bis zum 1. Oktober 2015 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 teilte sie ihr mit, für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 56.834,61 EUR erheben zu wollen. Die Tätigkeiten der S. A. und des S. A. seien versicherungspflichtig. Sie räumte Gelegenheit zur Stellungnahme ein und die Antragstellerin äußerte sich hierzu.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2015 stellte die Antragsgegnerin die Sozialversicherungspflicht der Frau A. ab dem 8. April 2008 und des Herrn A. ab dem 1. Juli 2013 fest und forderte die Antragstellerin auf, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 56.834,61 EUR nachzuzahlen. Beide Personen hätten keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Antragstellerin gehabt, was im Einzelnen begründet wird. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 9. November 2015 Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20. November 2015 ab.
Die Antragstellerin hat am 4. Dezember 2015 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Dem Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid komme gemäß § 7a Abs. 7 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) aufschiebende Wirkung zu. Jedenfalls sei der Bescheid rechtswidrig, da beide Personen nicht versicherungspflichtig seien. Dies hat die Antragstellerin im Einzelnen begründet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch zurückgewiesen. Beide Personen seien sozialversicherungspflichtig.
Das SG hat mit Beschluss vom 11. März 2016 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung trete nicht auf Grund von § 7a Abs. 7 SGB IV ein. Zwar spreche die Gesetzesbegründung für eine Anwendung dieser Norm. Der Wille des Gesetzgebers finde sich jedoch nicht im Wortlaut der Norm wieder, der die äußere Grenze einer möglichen Auslegung darstelle. Der Sprachgebrauch des § 7a SGB IV sei uneinheitlich. Die Formulierung in Abs. 7 spreche dafür, dass in dem Verfahren nur festzustellen sei, ob eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit vorliege. Das Anfrageverfahren solle den Beteiligten Rechtssicherheit verschaffen, ob sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt seien. Der Wortlaut des § 7a Abs. 7 SGB IV stelle eine spezifische Verknüpfung lediglich zu dem Anfrageverfahren her, weil er die in § 7a Abs. 1 SGB IV gewählte (spezielle) Formulierung, "ob eine Beschäftigung vorliegt" und nicht den in § 7a Abs. 6 SGB IV verwendeten Begriff der Versicherungspflicht aufgreife. Das Anfrageverfahren unterscheide sich systematisch von dem Prüfverfahren nach § 28p SGB IV. Bei letzterem fehle es an der Gutgläubigkeit der Beteiligten. Eine Bevorzugung der erst durch eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV entdeckten säumigen, gegebenenfalls schuldhaft handelnden Arbeitgeber könne durch § 7a Abs. 7 SGB IV nicht gewollt sein. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm mache die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Beitragsbescheide selbst für den bösgläubigen Arbeitgeber zur Regel. Eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung komme nach § 86a Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden oder wenn die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch ...