Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Weiterleitung an das nicht im Haushalt des Leistungsberechtigten lebende Kind. Prozesskostenhilfeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Von der Einkommensanrechnung des Leistungsberechtigten ausgenommen ist das an das außerhalb des Haushalts lebende volljährige Kind weitergeleitete Kindergeld. Dabei kann das Weiterleiten auch dadurch erfolgen, dass ein Teil des Gelds auf das Bankkonto des Kinds überwiesen und der andere Teil unmittelbar für die grundlegende soziokulturelle Existenzsicherung (zum Beispiel durch Zahlung der Stromabschläge an den Versorger) eingesetzt wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. August 2021 aufgehoben. Den Klägern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Sandra Kersten als Prozessbevollmächtigte gewährt.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer und Kläger (im Folgenden: Kläger) wenden sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem sie sich gegen die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. Juni 2021 wenden.

Die 1968 geborene Klägerin und der 1960 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und leben in einem Eigenheim in B.. Im streitigen Zeitraum fielen ausweislich der vorliegenden Unterlagen folgende Kosten der Unterkunft und Heizung an:

Kosten

02/2021

03/2021

04/2021

05/2021

06/2021

Wasser

26,00 €

26,00 €

26,00 €

26,00 €

26,00 €

Abwasser

49,00 €

49,00 €

49,00 €

49,00 €

Abfallgebühren

76,23 €

52,23 €

Gebäudeversicherung

93,06 €

Abschlag Gas

96,00 €

96,00 €

96,00 €

96,00 €

96,00 €

Die Klägerin erzielte Einkommen aus einer Beschäftigung bei der V GmbH in monatlich unterschiedlicher Höhe, welches im Folgemonat ausgezahlt wurde. Im Februar 2021 betrug das Einkommen aus Januar 1.323,46 € brutto (1.064,06 € netto). Im März 2021 erhielt sie Einkommen von 1.369,20 € brutto (1.099,60 € netto), im April 2021 von 1.311,18 € brutto (1.052,34 € netto) und im Mai 2021 von 1.149,87 € brutto (933,34 € netto) im Juni 2021 von 1.438,18 brutto (1.159,56 € netto). Zudem erhielt sie Kindergeld in Höhe von monatlich 219 € für ihre am ... 2000 geborene Tochter R., die als Auszubildende in einer eigenen Wohnung in L. lebte.

Für den Kläger ist ein Pflegegrad 3 anerkannt. Er erhält ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 545 €. Für seine private Kranken- und Pflegeversicherung zahlt er Beiträge in Höhe von monatlich 450,26 € und 83,98 €.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2021 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Kläger vom 10. Dezember 2020 ab: Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien diese nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Seiner beigefügten Leistungsberechnung legte der Beklagte ein Einkommen der Klägerin aus unselbständiger Arbeit in Höhe von durchschnittlich 1.086,30 € (abzgl. Freibeträge von 300 €) sowie das Kindergeld für die Tochter zugrunde. Es errechne sich ein übersteigendes Einkommen von 71,15 €.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 gewährte der Beklagte dem Kläger einen Zuschuss zu seinen Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Gegen die Leistungsablehnung erhoben die Kläger unter dem 15. Februar 2021 Widerspruch und trugen vor, ihre Tochter führe in L. einen eigenen Haushalt, wofür vom Konto der Klägerin (Kindergeld) Nebenkosten und Versicherungen beglichen würden. Dies betreffe monatlich 42 € für Stromkosten bei den Stadtwerken L., jährlich 81 € für Kfz-Steuern, monatlich 59,68 € für die Autoversicherung, monatlich 9,65 € für die Rechtsschutzversicherung, jährlich 79,22 € für die Hausratversicherung und monatlich 9,79 € für die Unfallversicherung der Tochter. Entsprechende Belege fügten sie ihrem Widerspruch bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Das für die außerhalb des Haushalts lebende Tochter gezahlte Kindergeld werde auf das Konto der Klägerin überwiesen. Eine komplette, abschlagsfreie Weiterleitung des Kindergelds an die Tochter sei weder vorgetragen noch nachgewiesen. Zwar habe die Klägerin belegt, verschiedene Ausgaben für ihre Tochter zu übernehmen. Dies sei jedoch unerheblich, da nur eine komplette Weiterleitung des Kindergelds Berücksichtigung finden könne.

Dagegen haben die Kläger am 24. März 2021 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und am 27. April 2021 beantragt, ihnen PKH für das Verfahren zu bewilligen. Zur Begründung der Klage haben sie mit Schreiben vom 21. Juni 2021 ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Anrechnung des monatlichen Kindergelds sei fehlerhaft. Das Kindergeld werde zugunsten der Tochter weitergeleitet und stehe den Klägern nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Sie würden schlechter gestellt, nur, weil die Zahlung des Kindergelds nicht den „Umweg“ über das Konto der Toc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?