Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines behinderten Menschen auf Bewilligung einer beruflichen Förderungsmaßnahme
Orientierungssatz
Behinderten Menschen können nach § 97 Abs. 1 SGB 3 Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilnahme am Arbeitsleben zu sichern. Ob für die Erreichung dieses Zieles bestimmte Leistungen i. S. des § 97 Abs. 1 SGB 3 erforderlich sind, ist prognostisch zu entscheiden. Bei der Prognoseentscheidung für den behinderten Menschen ist die aktuelle Wettbewerbsfähigkeit des Antragstellers maßgebend. Ist nicht feststellbar, dass er aufgrund seiner Behinderung im erlernten und bisher ausgeübten Beruf keine Arbeitsstelle finden wird, so ist eine Bewilligung der begehrten Förderungsmaßnahme abzulehnen. Das schließt nicht aus, dass in der Zukunft die Notwendigkeit einer Qualifizierung anders zu beurteilen ist.
Normenkette
SGB III § 97 Abs. 1, § 102; SGB IX § 33 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die am. 1963 geborene Antragstellerin ist von Geburt an aufgrund ihrer Blindheit schwerbehindert. Sie verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als staatlich geprüfte Masseurin und Medizinische Bademeisterin mit einer Zusatzqualifikation im Bereich Lymphdrainage und Ödemtherapie. Diese Zusatzqualifikation erwarb die Antragstellerin in einer vom Februar bis April 2008 dauernden Weiterbildungsmaßnahme, die die Antragsgegnerin förderte. Vom 1. September 2008 bis Ende Mai 2011 war die Antragstellerin als Masseurin in einer Massage- und Physiotherapiepraxis in H beschäftigt. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses förderte die Antragsgegnerin die Beschäftigung der Antragstellerin mit Lohnkostenzuschüssen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung, der das Integrationsamt beim Landesverwaltungsamt in H ... mit Bescheid vom 26. April 2011 zustimmte. Nach den Angaben der Antragstellerin war es zu einer Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses gekommen. Vorangegangen seien auch Schwierigkeiten, weil sie als blinder Mensch Verordnungen und Patientenakten nicht ohne Hilfemittel lesen konnte und vom Arbeitgeber nur unzureichend unterstützt wurde. Der Arbeitgeber gab gegenüber dem Integrationsamt unter anderem fachliche Defizite der Antragstellerin und eine unzureichende Integration in das vorhandene Team an.
Die Antragstellerin bewarb sich um die Teilnahme einer am 1. September 2011 beginnenden verkürzten (achtzehnmonatigen) Ausbildung zur Physiotherapeutin beim SFZ B ...werk für Blinde und Sehbehinderte C ... gGmbH und erhielt von dort mit Schreiben vom 1. Juli 2011 eine Zusage unter der Voraussetzung der Bewilligung und Finanzierung durch den zuständigen Leistungsträger. Die Antragstellerin sprach Anfang Juli 2011 bei der Antragsgegnerin vor und erkundigte sich nach einer Förderung der von ihr begehrten Bildungsmaßnahme. Am 18. Juli 2011 stellte sie einen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin, den diese mit Bescheid vom 1. August 2011 ablehnte: Erst nach entsprechender Eigeninitiative bei der Arbeitsuche und parallel dazu durchgeführten Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit könne geprüft werden, ob eine Eingliederung anders als durch eine Weiterbildung nicht möglich sei. Die Antragstellerin erhob Widerspruch und führte unter anderem aus, für sie sei die begehrte Bildungsmaßnahme nur in einer Einrichtung für Blinde und Sehbehinderte möglich, da aufgrund ihrer Einschränkung mehr Unterstützung im Unterricht erforderlich sei. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2011 zurück: Die Notwendigkeit der Förderung der Ausbildung zur Physiotherapeutin sei im Fall der Antragstellerin nicht gegeben. Im Zielberuf (Masseurin bzw. Medizinische Bademeisterin) bestehe eine bundesweite Nachfrage. Die Antragstellerin habe sich für eine Vermittlung bundesweit zur Verfügung gestellt und ihr sei ein Vermittlungsgutschein ausgestellt worden. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit einer noch beim Sozialgericht Halle (SG) anhängigen Klage.
Die Antragstellerin hat am 23. August 2011 einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim SG mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die am 1. September 2011 beginnende verkürzte Ausbildung zur Physiotherapeutin zu fördern. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 12. September 2011 als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt: Ein Anspruch auf die Förderung der Weiterbildung bestehe nicht. Es bestehe die begründete Aussicht, dass die Antragstellerin mit den von ihr schon erworbenen beruflichen Qualifikationen in Arbeit integriert werden könne.
Gegen den ihr am 12. September 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13. September 2011 Beschwerde erhoben und vorgetragen: Aufgrund der bei ihr vorliegenden ...