Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Wehr- und Versorgungsverwaltung. Ausgleich für Wehrdienstbeschädigungsfolgen. Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts. Feststellungsklage. isolierte Anfechtungsklage. Verurteilung des Beigeladenen. Zuständigkeit für die Feststellung von Wehrdienstbeschädigungsfolgen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein jeder Verwaltungsakt setzt die Befugnis der Verwaltung voraus, auf diese Weise zu handeln, dh Regelungen bestimmten Inhalts zu treffen, die andere Rechtsträger binden (Anschluss an BSG vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R = SozR 3-2600 § 93 Nr 12, S 110).
2. Die Bundeswehrverwaltung ist nicht befugt, über einen Ausgleich nach § 85 Abs 1 BVG zu entscheiden, wenn die als Wehrdienstbeschädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen erst nach Ende der Dienstzeit eingetreten sind. In einem solchen Fall ist sie auch nicht befugt, durch Verwaltungsakt festzustellen, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG sind (Anschluss an BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a VS 3/06 R = SozR 4-3200 § 81 Nr 3, Rdnrn 11 ff).
3. Die Regelung des § 88 Abs 2 S 1 SVG betrifft nur die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen der Behörden der Wehr- und Versorgungsverwaltung; deren sachliche Zuständigkeit wird durch Absatz 1 der Vorschrift abgegrenzt.
4. Statthafter Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG ist nicht die Wehrdienstbeschädigung als solche und damit auch nicht allein der Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Vorgang und der (primären) Schädigung, sondern die Streitfrage, ob eine Gesundheitsstörung “die Folge„ einer Wehrdienstbeschädigung ist.
5. Eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG setzt immer voraus, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch an die Stelle des ursprünglich gegen den Beklagten erhobenen Anspruchs tritt. Die in Frage kommenden Ansprüche müssen in einer Wechselbeziehung derart stehen, dass bei Unzuständigkeit des einen Leistungsträgers der andere die Leistung zu erbringen hat. Der Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach § 80 SVG und der Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG stehen nicht in einem solchen Verhältnis, da sie zeitlich voneinander getrennt für verschiedene Zeiträume zu erbringen sind.
6. Wenn für die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigungsfolge statt der beklagten Bundesrepublik Deutschland das beigeladene Land zuständig ist, kann das Gericht nach § 75 Abs 5 SGG über eine Feststellungsklage in dem Rechtsverhältnis zum Beigeladenen in der Sache entscheiden.
7. § 75 Abs 5 SGG lässt zwar aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise eine Verurteilung des Beigeladenen zu, ohne dass dieser zuvor einen Bescheid erlassen oder ein notwendiges Vorverfahren durchgeführt hat. Der Gesetzgeber hat es aber in das Ermessen des Gerichts gestellt, ob es von der ihm eröffneten Möglichkeit einer Verurteilung des Beigeladenen Gebrauch macht. Das Gericht hat dabei der Gewährleistung eines tatsächlich wirksamen Rechtsschutzes durch Art 19 Abs 4 GG gerecht zu werden. Danach ist auch zu berücksichtigen, ob im Einzelfall das Ziel der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes und der Durchsetzung des materiellen Rechts ohne ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren schwerer erreichbar ist.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Januar 2007 wird abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 21. November 2003 und vom 22. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2006 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die gegen den Beigeladenen gerichteten Klagen werden abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen und des Vorverfahrens zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger will die Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenversorgung erreichen. Vorab ist fraglich, ob die Beklagte zum Erlass der angefochtenen Bescheide befugt war und ob der Kläger verneinendenfalls sein Ziel im vorliegenden Verfahren durch eine Verurteilung des Beigeladenen erreichen kann.
Der 1942 geborene Kläger stand vom 1959 bis 1963 als Soldat auf Zeit in einem Wehrdienstverhältnis. 1960 nahm er an einem Lehrgang für Radarflugmelder teil. Vom 1960 an wurde er - mit Unterbrechung durch einen Unteroffiziersanwärterlehrgang - in F. als Radarflugmelder und vorübergehend als Radarleitspezialist verwendet. 1963 besuchte der Kläger einen Lehrgang der Bundeswehrfachschule M. (Fachrichtung Wirtschaft). Nach den Eintragungen in seinem Wehrpass diente er anschließend bis zum Ende der Dienstzeit 1963 wieder in seiner Einheit in F.
2001 beantragte der Kläger bei dem beigeladenen Land Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)....