Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung/Arbeitslosenversicherung. Versicherungspflicht. Steuerfachgehilfe. Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei des Vaters. steuerberatende Tätigkeit. Arbeitsvertrag. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Handhabung des Vertragsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Wird der als Steuerfachgehilfe ausgebildete Sohn eines Steuerberaters in dessen Steuerberaterkanzlei aufgrund eines Arbeitsvertrags tätig, ist von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, da eine selbstständige Leitung der Kanzlei gegen ua § 5 StBerG verstoßen würde.
2. Der Vorrang der praktizierten Tätigkeit vor vertraglichen Abreden gilt nur dann, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen des rechtlich Zulässigen halten (vgl LSG München vom 17.11.2009 - L 5 R 935/08).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Versicherungspflicht des Klägers in der Sozialversicherung für seine Tätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei.
Für die mit Sitz in H. geführte Steuerberaterkanzlei "L. H. Steuerberater" wurde von der Beklagten im Jahr 2006 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 durchgeführt. Dabei ergaben sich nach dem Protokoll über die am 8. November 2006 durchgeführte Schlussbesprechung nur geringfügige Beanstandungen. Unter dem 14. November 2006 teilte der am ... 1930 geborene Beigeladene, der als zugelassener Steuerberater Mitglied der Steuerberaterkammer Sachsen-Anhalt ist, der Beklagten seine Auffassung zur Umsetzung des Ergebnisses der Betriebsprüfung unter dem Briefkopf "Diplom-Kaufmann L. H. Steuerberater/Landwirtschaftliche Buchstelle" mit. Mit Schreiben vom 22. November 2006 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, hinsichtlich der Versicherungspflicht bzw. -freiheit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Steuerberatungskanzlei - die nur bis 2001 als versicherungspflichtig der Rentenversicherung gemeldet worden war - ergehe ein gesonderter Bescheid.
Auf die Anforderung der Beklagten übersandte der Klägerbevollmächtigte im Namen des Beigeladenen unter dem 13. Dezember 2006 eine schriftliche Stellungnahme. Die beigefügte Vollmacht ist für die Firma Steuerkanzlei L. H., B.str. 28 in H. ("Betroffener" B. H.) unter dem 8. Dezember 2006 mit dem Siegel "Dipl.-Kfm. Steuerberater L. H./H. an der Saale" unterzeichnet. Die Stellungnahme listet die nach dortiger Auffassung ausschließlich vorliegenden Kriterien einer nicht arbeitnehmertypischen Tätigkeit des Klägers "im väterlichen Unternehmen" auf. Insbesondere verfüge der Kläger "aufgrund seiner Ausbildung und seiner jahrelangen Erfahrung über die alleinigen Branchenkenntnisse für die Kanzlei in H./S.". Er sei in allen kaufmännischen Bereichen sowie der Kundenakquisition federführend. Der Kläger verfüge frei über alle Geschäftskonten und könne uneingeschränkt Personal einstellen und entlassen. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Bl. 14 bis 15 der Verwaltungsakte verwiesen. Aus dem ebenfalls mit dem Siegel versehenen "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen bzw. Ehegatten/Lebenspartnern" geht hervor, der am ... 1960 geborene Sohn des Beigeladenen, der Kläger, habe den Beruf "Steuerfachgehilfe" erlernt und arbeite seit den 90er Jahren bis laufend in der Kanzlei. Die Tätigkeit des Klägers erfolge im Betrieb bzw. zu Hause mit in dessen Belieben stehenden Arbeitszeiten. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt betrage 7.100 EUR zzgl. hälftiger Beteiligung am Gewinn und Nutzung eines Firmenwagens. Die Tätigkeit werde auf der Grundlage des dem Feststellungbogen als Anlage beigefügten Arbeitsvertrages vom 2. Januar 1999 ausgeübt. Zu den Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 24 bis 27 der Verwaltungsakte verwiesen. Der Kläger arbeite ohne Eingliederung in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft und ohne Bindung an Weisungen des Betriebsinhabers. Der Kläger könne seine Tätigkeit frei bestimmen und wirke an der Führung des Betriebes mit. Die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch und eine Kündigungsfrist seien nicht vereinbart worden. Das Arbeitsentgelt werde auf ein Girokonto des Klägers überwiesen und bei Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet. Der Kläger, der am Betrieb und Betriebsvermögen nicht beteiligt sei, habe dem Betrieb/Betriebsinhaber ein Darlehen in Höhe von 44.879,05 EUR gewährt. Dem Fragebogen sind, jeweils in Kopie, eine Bestätigung über die Kontovollmacht des Klägers für die Geschäftskonten seit 1991, Darlehensverträge zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen vom 30. Dezember 2005 und 10. August 2006 und ein Schreiben des Beigeladenen vom 16. November 2006 beigefügt, in dem dieser ausgeführt hat, der Kläger führe die Steuerkanzlei in H. vollkommen ...