Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung beim Streit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn beim Kläger die psychische Fehlverarbeitung eines Schmerzsyndroms vorliegt. Medizinische Ermittlungen. zeitliches Leistungsvermögen. Wegefähigkeit. Gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes
Orientierungssatz
Die Verneinung der vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB 6 im Falle einer psychischen Störungen in der Form einer Schmerzfehlverarbeitung ist rechtmäßig, wenn sich das Gericht nach umfangreicher Beweiserhebung davon überzeugt, dass dem Kläger die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung seiner Schmerzen keineswegs vollständig entglitten, sondern willentlich gesteuert ist und es ihm bei zumutbarer Willensanstrengung möglich ist, einer leidensgerechten Arbeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Normenkette
SGB VI § 43; SGG § 109
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob dem Kläger ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI - Gesetzliche Rentenversicherung) über den 31. August 2002 hinaus gegen die Beklagte zusteht.
Der am ... 1972 geborene Kläger begann am 1. September 1989 eine Ausbildung zum Stahlbauer, die er am 30. April 1990 abbrach. Unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit war er von August bis Dezember 1991 und im Januar 1993 als Möbelauslieferer tätig. In der Folgezeit war er als Fahrzeuglackierer versicherungspflichtig beschäftigt, wobei er vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1997 erfolgreich eine Umschulung zum Fahrzeuglackierer absolvierte. Seit dem 4. April 2000 war er arbeitsunfähig erkrankt.
Am 6. August 2001 stellte er bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die LVA zog zunächst den Rehabilitationsentlassungsbericht der B.-Klinik in S. vom 16. Mai 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 4. April bis zum 16. Mai 2000 bei. Danach seien als Diagnosen eine chronische Schmerzkrankheit sowie ein Kombinationskopfschmerz aus Migräne ohne Aura und chronischem Spannungskopfschmerz (und Analgetika-abusus), eine Psoriasis vulgaris sowie ein Diabetes mellitus (nicht insulinpflichtig) zu berücksichtigen. Als Autolackierer sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er mittelschwere körperliche Arbeiten auch überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen in allen Schichten vollschichtig verrichten. Die Belastbarkeit der Haut sei aufgrund der Psoriasis vulgaris herabgesetzt. Belastungen der Haut mit Allergenen sowie Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Zum Rehabilitationsergebnis ist angegeben, dass der Kläger sehr auf den somatischen Aspekt seiner Erkrankung fixiert gewesen sei und sich für psychische Ursachen nur bedingt zugänglich gezeigt habe. Die LVA holte ferner einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 21. Oktober 2001 sowie ein nervenfachärztliches Gutachten von Dr. med. habil. W. vom 16. Januar 2002 ein. Der Gutachter führte aus, nach seiner Einschätzung bestünden beim Kläger vordergründig eine larvierte Depression mit bisher therapierresistenter Somatisierungsstörung, insbesondere chronifiziertem Schmerzsyndrom, funktionelle Kopfschmerzen, teils Migräne ohne Aura, teils Spannungskopfschmerzen, eine mäßiggradige sensorische und leichte motorische demyelinisierende Polyneuropathie bei Diabetes mellitus, der dringende Verdacht auf einen Morbus Raynaud-Syndrom sowie eine Psoriasis ohne Gelenkbeteiligung. Intensive schmerztherapeutische, nervenärztliche und psychotherapeutische Behandlungen hätten bislang nicht zu einer Linderung der Beschwerden beitragen können. Von körperlicher Seite her sei der Kläger ohne Weiteres in der Lage, eine leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit auszuführen. Dem stehe jedoch die gegenwärtige psychische Situation des Klägers mit einem depressiven Syndrom, verbunden mit multiplen psychosomatischen Beschwerden, insbesondere einem therapieresistenten Schmerzsyndrom, entgegen. Eine vorzeitige Berentung würde jegliche Behandlungsmöglichkeiten, die noch nicht als ausgeschöpft zu betrachten seien, vereiteln. Es sei mit dem Kläger besprochen worden, dass eine psychiatrische langfristig angelegte stationäre Behandlung erforderlich sei. Insoweit wolle sich der Kläger mit seinem Nervenarzt, der dies mit ihm auch bereits besprochen habe, in Verbindung setzen.
Daraufhin bewilligte die LVA dem Kläger mit Bescheid vom 12. Februar 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. August 2001 bis zum 30. Juni 2002. Im Bescheid ist ausgeführt, die Rentengewährung erfolge unter der Bedingung, dass sich der Kläger in eine stationäre psychiatrische Behandlung begebe.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 18. Februar 2002 bewilligte die LVA mit Bescheid vom 17. Mai 2002 die...