Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit. individuelle Voraussetzung. arbeitstechnische Voraussetzung. extreme Einwirkung. unbestimmter Rechtsbegriff. Schweißrauch-Exposition. wissenschaftliche Begründung zur BK 4115. haftungsbegründende Kausalität. Lungenfibrose. Schweißerlunge. Siderofibrose. Schweißer
Leitsatz (amtlich)
Für das Merkmal der "extremen Einwirkung" im Sinne der Berufskrankheit Nr 4115 der Anlage 1 zur BKV kommt es maßgeblich auf das Vorliegen eingeschränkter Belüftungsverhältnisse an, wie sie zB in Kellern, Tunneln, Behältern, Tanks, Containern, engen Schiffsräumen oder vergleichbaren räumlichen Verhältnissen bei arbeitshygienisch unzureichenden Vorkehrungen existieren können.
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer Lungenfibrose (Siderofibrose Grad II) eines Schweißers, der einer langjährigen Einwirkung von Schweißrauchen ausgesetzt war (359 Schweißrauchjahre), als Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7 mangels Vorliegens der Voraussetzung "extreme Einwirkung".
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Erkrankung wie eine Berufskrankheit (BK) entsprechend der jetzigen Nr. 4115 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 4115) anzuerkennen ist.
Der 1949 geborene Kläger erlernte von Anfang September 1964 bis Ende Juni 1967 den Beruf eines Metallwerkers und arbeitete - ausgenommen der Wehrdienstzeit von Anfang Mai 1968 bis Anfang November 1969 - nachfolgend bis Ende 1996 als Schweißer. Von Anfang 1997 bis Ende 1998 war er als Sanierungshelfer tätig und nach anschließender Arbeitslosigkeit ab Februar 2000 bis Februar 2005 wiederum als Schweißer beschäftigt. Seither arbeitete er als Betriebsschlosser.
Am 17. März 2003 zeigte Dr. Sch. von der Lungenklinik Lostau der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten den Verdacht des Bestehens einer BK an. Aus dem von ihm beigefügten Arztbrief der Klinik vom 4. März 2003 gingen eine geringe Lungenfibrose ohne funktionelle Einschränkungen, eine koronare Herzkrankheit, ein Zustand nach 5fach-Bypass-Operation im Jahr 2000 sowie ein Bluthochdruckleiden hervor. Bis 2001 habe beim Kläger ein Nikotinabusus vorgelegen.
Der Präventionsdienst der Beklagten führte unter dem 5. Juni 2003 nach einem Gespräch mit dem Kläger und der Sicherheitsfachkraft seines Arbeitgebers aus, der Kläger sei von 1967 bis Mai 1968 in den Bereichen E-Hand- (etwa 60 %) und MAG-Schweißen (etwa 40 %) tätig gewesen. In beiden Verfahren müsse mit deutlichen Überschreitungen der Fein- und Gesamtstaubkonzentration gerechnet werden. Nach seiner Wehrdienstzeit habe der Anteil des E-Hand-Schweißens zum MAG-Verfahren im Zeitraum von November 1969 bis Dezember 1996 etwa 40 zu 60 % betragen, wobei der MAG-Anteil ab 1985 schrittweise immer weiter angestiegen sei. Im Jahr 1979 habe der Kläger außerdem die Befähigung zum WIG-Schweißer erworben. Seither habe er etwa zu 20 % mit diesem Verfahren Rohrleitungen aus Edelstahl geschweißt. Grenzwertüberschreitungen seien insoweit nicht aufgetreten. Seit Februar 2000 sei der Kläger im Bereich Windkrafträder als Schweißer tätig. Insgesamt habe der Kläger bislang ca. 38 Jahre als Schweißer gearbeitet. Über einen Zeitraum von 19 Jahren habe regelmäßig Kontakt zu Asbest bestanden.
Die Arbeitsmedizinerin Dr. M. schätzte in ihrer beratenden Stellungnahme vom 17. Juni 2003 ein, nach den bildgebenden Befunden seien asbestbedingte Veränderungen der Lunge und der Pleura sicher auszuschließen. Nach Klinik, Histologie und den Röntgenbefunden sei jedoch eine Staubeinlagerung in der Lunge nachweisbar. Eine berufliche Verursachung sei wahrscheinlich, es lägen aber keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verursachung einer "Schweißerlunge" vor. In ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 23. Juni 2003 schloss sich Dr. F. dieser Einschätzung an.
Mit Bescheid vom 21. August 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung als bzw. wie eine BK ab. Beim Kläger bestehe zwar eine geringe Lungenfibrose ohne funktionelle Einschränkungen. Ein solcher Befund könne aber keiner Listen-BK zugeordnet werden. Auch eine sogenannte Wie-BK liege nicht vor, da keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse existierten, wonach eine Ablagerung von Stäuben in der Lunge zu einer Fibrosierung führe. Vielmehr könnten die Ursachen einer Fibrose vielfältig sein. Daneben sei bislang auch kein Nachweis dafür vorhanden, dass derartige Fibrosen bei der Berufsgruppe der Schweißer überhäufig aufträten.
Am 10. Oktober 2007 zeigte der Lungenfacharzt Dr. L. der Beklagten erneut den Verdacht einer "Schweißerlunge" an. Nach seinem Bericht vom 28. August 2007 bestand beim Kläger keine belastungsinduzierte Obstruktion und fand sich kein Anhalt für eine wesentliche Einschränkung der kardiorespiratorischen Leistungsbreite.
Unter dem 13. Februar 2008 schätzte der Präventionsdienst der Beklagten beim Kläg...